Lavinia Chianello ist vor 44 Jahren auf Sizilien geboren. An der Kunsthochschule Palermo hat sie vier Jahre Malerei und andere Fächer studiert. Wie kam sie auf den Sonnenberg?

Mit Boris Ostrovsky von der Galerie ARTEck

Nach dem Studium arbeitete sie mehr zehn Jahre als Restauratorin für Bilder und Skulpturen aus Holz, auch in London. Dort lernte sie Tomàs Creus kennen, der sie als Art Directorin nach Brasilien zu einem Kurzfilmprojekt holte. Mit einer Pause von acht Jahren, in der sie Mutter von drei Kinder wurde, arbeiten sie seitdem gemeinsam an künstlerischen Kurzfilmen.

Beziehung zum Sonnenberg?

Die Liebe verband sie mit einem Deutschen, den sie in Argentinien traf. Und den gebürtigen Pfälzer verband Liebe mit seinem Studienort Chemnitz. So zog sie hierher. Wäre Berlin für sie besser? „Chemnitz ist nicht die perfekte Stadt, aber sie gibt Künstlern viel Freiraum“, weiß Lavinia Chianello. „Seit letztem Jahr habe ich dies fantastische Atelier. Ich genieße die Zeit hier, ich finde viel Inspiration, komme fast jeden Tag hierher.“ Das Haus Markusstraße 19 gehört einem Münchener Zahnarzt. Der Laden stand 15 Jahre lang leer.

Sie liebt den Sonnenberg und wohnt auch im Viertel in einem schön sanierten Haus. Aber es ist kompliziert: „Ich bin schüchtern, ich habe Probleme mit der deutschen Sprache“, sagt sie – und kann doch gut ausdrücken, was sie meint. In Italien, Brasilien und in London bei den Zugezogenen aus anderen Ländern sei das kein Problem gewesen: „Die kommen trotzdem zu dir und reden mit dir.“ Aber in Chemnitz sei das anders. „Wir passen nicht so gut zusammen. Es war schwer, aber es wird besser.“ In Italien nervt sie wiederum, dass niemand Regeln respektiert. „Deutschland etwas offen, das ist das Paradies.“

Wie sieht es im Atelier aus?

Zwei Schaufenster mit Grünpflanzen, eine kleine Ladentür hinter ein paar Stufen führt in mehrere Räume. Kanarienvögel lassen ihre Stimmen hören. Aus Fundsachen vom Sperrmüll oder Gebrauchtwarenhallen hat Lavinia Chianello sich gemütlich eingerichtet. Dazwischen hat sie ihre eigenen Bilder und Puppen drapiert. Nähzeug steht auf einem großen Tisch.

Wohl sortiert lagern Materialien wie Stoffe und Holz und alles, was sie für die Sets der Kurzfilme gebrauchen kann. Die nehmen einen Teil des Raumes ein: meterhohe Puppenhäuser, zum Beispiel das Haus mit dem Gemüseladen eines sizilianischen Gastarbeiters aus einer Filmgeschichte. Von den Fassaden bis zur letzten Paprika hat sie alles selbst geformt, bemalt. „Ich liebe es Puppen zu machen, kleine Klamotten zu nähen, Sets zu bauen. Wie ein Gott, der die Welt schafft. Gerade wenn ich im normalen Leben keine Kontrolle habe.“ Ein Storyboard, eine Pinwand mit hunderten von Skizzen steht neben den Häusern.

Welche Kunst gibt es?

Die Filme kann sie dem Besuch nur beschreiben. Sie schickt einige Links auf frei zugängliche Werke.

Der letzte, von der Chemnitzer Filmwerkstatt gefördert, hatte im Dezember im Klubkino Premiere. Die Geschichten seien düster, traurig, die Puppen hässlich, sagt sie. „Ich plane sie nicht, ich mache, was ich fühle.“ Alles sei auch Therapie: „Die Puppen sind kuschelig, sie machen keine Angst.“

In der Galerie ARTEck bei der Vernissage

Wichtig sind ihr die Bilder, die sie jetzt im Atelier wieder malt. Realistische Szenen, Stilleben. Man blickt in eine Dachkammer, ein Junge mit dem Gesicht zum Betrachter zieht hinter sich ein Stück Tapete ab, andere Farben und Muster erscheinen, ein Kanarienvogelbauer steht zu seinen Füßen, unten reckt sich eine Hand in Arbeitshandschuhen ins Bild. Und hinter dem Dachfenster sieht man die Chemnitzer bunte Esse. Lavinia Chianello erzählt dazu von ihrem Sohn, von Umzug, Renovierung, DDR-Tapeten („Die DDR-Zeit bedeutet ja nichts für mich“), dem Kind als personifiziertem Entdecken. Und erklärt: „Meine Bilder sind voller Elemente, die nur für mich etwas bedeuten. Auch die Filme sind kryptisch, ich muss das so machen.“

Einige Puppen hat sie schon verkauft, in der Haamit Papeterie auf dem Kaßberg sind sie zu haben.

Zur Museumsnacht stellt sie das erste Mal in der Galerie ArtEck Bilder aus. „Ich will mich jetzt nicht mehr verstecken“, hat sie sich vorgenommen. Und wünscht sich, dass ihre Karriere noch nicht zu Ende ist. Das Kunstgespräch war ein Anfang. Gern empfängt sie weitere Gäste.