Ab Mitte des 19. Jahrhunderts etablierte sich auf dem Sonnenberg ein breites Spektrum gewerblicher Unternehmungen. Dazu gehörte auch die Herstellung eines Erzeugnisses, das deutschlandweit großen Absatz fand. Es handelte sich dabei um die sogenannte „Chemnitzer Tasche“, die eigentlich den Firmennamen „Phönix“ trug.

Um Menschen bei Unfällen oder starken Unwohlsein sofort vor Ort helfen zu können, benötigt der hilfswillige Sanitäter ein griffbereites, mit Verbands- und Arzneimitteln zur Ersten-Hilfe-Leistung ausgerüstetes Material. Für die deutschlandweite Ausstattung des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) kam dafür die „Chemnitzer Tasche“ zur Erstfall-Versorgung in den Gebrauch.

Die an der äußersten Westflanke des Sonnenbergs in der Josephinenstraße 2 gelegene „Phönix-Drogerie“ bezog die Tasche von zwei Handwerk-Sattlereien vom Sonnenberg, füllte diese mit dem erforderlichen Sanitätsmaterial auf und vertrieb diese ab 1902 im Organisationsbereich des ASB im ganzen damaligen Deutschen Reich. Inhaber der Drogerie war der Kaufmann Paul Klose.

Die ursprünglich aus gummierten Tuch, später aus Leder gefertigte Verbandstasche hatte bequemes, tragfähiges Format und besaß ein großes Fassungsvermögen mit übersichtlicher Inneneinteilung. Ihr Inhalt bestand aus Baldrian- und Hoffmannstropfen, Brausepulver gegen Kopfschmerzen, essigsaure Tonerde, Salmiakgeist und Säuretalg gegen Verbrennungen sowie Würfelzucker in Gelatinehülse. Im Weiteren enthielt die Tasche ein dreieckiges Verbandstuch, Heftpflaster, Verbandswatte und Verbandsmull, Binden, Zwirn und Nadeln sowie auch wasserdichtes Papier.

Der Einsatz der „Chemnitzer Tasche“ im ASB erreichte durch dessen Wachstum einen beträchtlichen Umfang. So weist z.B. der Jahresbericht 1928 für die Kölner Arbeitersamariter aus, dass sie allein 153 derartige Sanitätstaschen aus Chemnitz besaßen.

Doch dem ständigen wachsenden Bedarf war die „Phönix-Drogerie“ nicht mehr gewachsen. So wurde schließlich 1928 im Hinterhaus der neuerrichteten Bundesgeschäftsstelle des ASB in der Alexanderstraße 23 (seit 1953 Ludwig-Kirsch-Straße) eine Sattlerei eingerichtet, die nunmehr die Fertigung der „Chemnitzer Verbandstaschen“ übernahm. Diese wurden dann durch den organisationseigenen Warenversand, der ebenfalls seinen Sitz in der Alexanderstraße hatte, bis 1933 vertrieben.

 Wolfgang Bausch