Der Hessische Staatspreis 2015 ging an Anke Neumann. In der Reihe “Besuch bei Künstlern auf dem Sonnenberg” wurde sie Anfang des Jahres mit ihrer Firma “Lichtpapier” vorgestellt.

Anke Neumann (Foto: Remestvenskyy)

Anke Neumann vor einem ihrer Objekte (Foto: Remestvenskyy)

Wer?

Anke Neumann ist in Karl-Marx-Stadt aufgewachsen, mit einem Ingenieur als Vater, und „bastelte gern“.

Die Oberstufe blieb ihr vorerst verwehrt, „wegen meiner politischen Meinung, ich war immer sehr frech“. Doch in Flöha durfte sie 1989 ihren Abschluss als Facharbeiter mit Abitur für Textiltechnik / Spinnerei erwerben. Dann zog es sie ins Berlin der Maueröffnung. „Ich habe alles Mögliche gemacht, Windkraftanlagen gebaut, Autos repariert und im Innenausbau gearbeitet.“

Als sie dann an der Kunsthochschule Weißensee Flächen- und Textildesign studierte, entdeckte sie ihr Thema: „Im Papierschöpfkurs habe ich mich in das Material verliebt. Bei uns ist Papier zum Verbrauchen, ich wollte es wie in Asien als Material in den Innenraum bringen.“

Schon ihre Diplomarbeit 2003 hieß wie ihre Firma jetzt „Lichtpapier“.

Beziehung zum Sonnenberg?

Der Großvater hatte eine Apotheke Ecke Markus-/Fürstenstraße. Als sie vor anderthalb Jahren aus Jena nach Chemnitz zog, gaben die freien Räume den Ausschlag. „Ich arbeite international, auch mal in Kanada, in London“, sagt sie.

Sie entschied sich für Chemnitz als Arbeitsort, auch der Familie wegen. Nach einem halben Jahr Suche gaben ihr die Keramiker Liebmann von der Palmstraße den Tipp mit der frei gewordenen Tischlerei an der Forststraße 4a. Anke Neumann findet es spannend, im Umfeld der alten Industrieanlagen zu arbeiten, und denkt, dass der Sonnenberg langsam von den Klischees wegkommt.

Wie sieht es im Atelier aus?

„Lichtpapier“ hat einen ganzen Hof, um die 200 Quadratmeter, mit Stauraum unter Dachbalken. Der Dielenboden ist abgetreten, dazwischen die Fundamente der Tischlermaschinen. 50 Jahre Holzstaub stecken in allen Ritzen, es ist dunkel, um so stärker kontrastiert damit die Arbeit der neuen Mieterin.

Zweckmäßig und mit Pfiff hat sie sich eingerichtet. Abaca, die Bananenbaumfaser, ein Rohstoff für ihr Papier, lagert in Form millimeterdicken Pappen im Regal, alte Leinentücher für Flachspapier in Kisten. Kozo, Bastfaser vom Maulbeerbaum, steckt in Ballen in Gefrierschränken. „Der muss feucht bleiben, und ich muss immer 30 Kilo davon auf einmal bestellen.“ Papier aus diesen Fasern bleibt weiß, im Unterschied zu Papier aus Holzschliff, was vergilbt.

Im Holländer, einer imposanten Maschine mit Messerwalze, werden die Rohfasern teils stundenlang gemahlen. Erst die Kürze der Faser gibt Härte, langfasriges Papier ist weich wie eine Serviette.

Die Fasermischung und Zusätze hat sie in einem Rezept-Ordner mit Proben auf Karteikarten notiert. Nach dem Mahlen gießt sie die Masse im Raum nebenan auf ein mehrere Quadratmeter großes Sieb auf. Darunter hat sie eine Art Wanne aus Teichfolie gebaut.

Nun werden die Lichtfasern – wie meterlange dicke Spagetti aus Acryl – eingelegt, je nach Entwurf gerade, im Gitter, oder verschlungen, in Kreisen … Ihre Enden stecken in einem Projektor, aus dem das Licht durch sie hindurch geleitet wird. Zum Schluss wird die Feuchtigkeit mit einem Nasssauger abgesaugt.

Im Atelier Lichtpapier (Foto: Remestvenskyy)

Im Atelier Lichtpapier (Foto: Remestvenskyy)

Welche Kunst gibt es?

Was sie gestaltet, dient auch der Beleuchtung. Viele Beispiele sind zu sehen, flache und mehrdimensionale Objekte. Hier steht eine Musterwand für einen 55 Meter langen Flur in einem Amsterdamer Hotel.

Mit einer Kollegin arbeitet sie auch mit Lichtfasern in Kalkputz, was einen besonders räumlichen Effekt gibt. Entwickelt wurde die Fasertechnik übrigens in den 70gern für Signalanlagen bei der Bahn und in Flugzeugen. „Sie ist nicht neu, nur wie ich sie einsetze.“ –

„Leute, die gern in Schablonen denken, unterscheiden zwischen Handwerk, Design, Kunsthandwerk und freier Kunst. Ich bewege mich in allen Bereichen, letztlich ist es ‚Angewandte Kunst‘“, erklärt Anke Neumann.

Sie greift nach einem Zettel und liest ein Zitat des Star-Architekten John Foster vor über „die Räume, die auch den Geist ansprechen“. Er stellte die Frage, die sie beantworten will: „Wo bleibt die poetische Dimension des Lichts?

 

Bericht in der Freien Presse zur Preisverleihung