Ort: Uhlandstraße 8 in Chemnitz

Anpfiff: 15 Uhr

Zwei Personen, die aus dem Ruhrgebiet kommen, in Sachsen seit fast 15 Jahren leben, treffen sich in Chemnitz zu einem Interview. Thema, wie kann es anders sein: Der Sonnenberg und ein bisschen Fußball!

Marcel Börger ist Fachanwalt für Strafrecht und Mitglied des Vorstandes der Strafverteidigervereinigung Sachsen/Sachsen-Anhalt e.V. Er ist in Dortmund aufgewachsen und wie kann es dann anders sein, Fan vom BVB 09. Der Interviewer, Detlef Apolinarski (SO) kommt ebenso aus der Region. Gelsenkirchen, die Stadt der Tausend Feuer und ist Fan von Schalke 04.

Marcel Börger studierte in Bayreuth und kam beruflich über Bamberg 1997 nach Chemnitz, um hier seine Kanzlei zu gründen und wohnt seitdem auf dem Sonnenberg.

SO: Gibt es Unterschiede zwischen zwei Industriestädten, wie Chemnitz und Dortmund?

Marcel Börger: Dortmund steht zu seiner Vergangenheit und hat sicherlich nicht die Brüche zu verzeichnen, wie Chemnitz. Die Stadt Chemnitz ist vielleicht auf der Suche sich neu zu definieren. Dieser Prozess, wie kann es anders sein, ist noch nicht abgeschlossen. Positiv ist gleichermaßen der Slogan: Stadt der Moderne. Der Slogan wird zu mindestens wahrgenommen. Aber es wird noch zu wenig in der Stadt experimentiert.

SO: Der Sonnenberg mit seinen ca. 14.000 Einwohnern steht dafür, dass er ein doch junger Stadtteil ist und für mich und in meiner Wahrnehmung, einen kleinen melting pot (Schmelztiegel) darstellt. Wie sehen Sie dieses Potential, was hier schlummert?

MB: Das ist richtig und der Sonnenberg hat perspektivisch das Potential, so was wie ein besonderes Flair zu entwickeln. Das wird durch die Vielfalt von jungen Leuten/ Familien und die unterschiedlichen Personen aus den vielen Ländern, die hier wohnen, definiert. Das heißt auch, das „Junge Leben“ ist wahrnehmbar. Zu diesem Ambiente trägt ebenso das multikulturelle Moment im Stadtteil bei. Ein beachtliches Potenzial, dass durchaus ein wenig an die Großstadtkulissen anderer Städte erinnert. Natürlich nicht ganz wie Berlin-Kreuzberg; aber eine Perle, die es noch gilt, zu entdecken bzw. weiter zu befördern. Doch ich nehme hier auf dem Sonnenberg leichte Parallelen dazu wahr und für mich ist es in Chemnitz der einzige Stadtteil, der sich noch zu einem „Innviertel“ entwickeln kann.

SO: Stichwort, neue Impulse auf dem Sonnenberg. Sie sind selbst Mitglied des Eigentümerstammtisches auf dem Sonnenberg. Wie sehen Sie den Initiator des Stammtisches, den Verein Stadthalten Chemnitz? Als Input Geber?

MB: Definitiv, ja! Da ich selber Eigentümer auf dem Sonnenberg bin, meine ich, es muss gelingen, neue Netzwerke aufzubauen anstatt immer nur über Netzwerke zu reden. Aber hier etabliert sich eine gute Organisation und da trägt der regelmäßig stattfindende Stammtisch bei. Es ist ein wichtiger Schritt, wo endlich Leute mit ähnlichen Interessenlagen sich treffen und konstruktiv austauschen.

SO: Der Stammtisch hat also für Sie eine Zukunft?

MB: Auch hier: Ein klares Ja. Wo hat man sonst die Möglichkeit, die Stadt und die institutionellen Eigentümer, wie die großen Wohnungsunternehmen an einem Tisch zu haben und sich gemeinsam, um Lösungen zu bemühen.

SO: Image. Könnten Sie ein paar Schlagwörter erläutern, wie das Außenimage zu verbessern ist?

MB: 1. Der Sonnenberg in Chemnitz ist für mich der einzige Innenstadt-Geheimtipp. Das oft gehörte und gelesene Image vom Stadtteil als Schmuddel oder Proloviertel ist definitiv falsch. Es wird aber auch leider schlecht verkauft, Vorurteile scheinen sich zäh zu halten. Leider wird immer noch das Problematische nach „Außen“ transportiert und öfter betont, als es angemessen wäre. Da ich aber ein Zugereister bin, sehe ich den Wert dieses Viertels vielleicht unbefangener als mach Einheimischer.

2. Die Architektur stellt ein großes Plus für den Stadtteil dar. Das Stadtviertel, wie sieht es aus? Parkplätze, Straßen, Plätze, Grün alles was in Richtung Wohnwert geht, ist insgesamt positiv zu bewerten. Nicht zu unterschätzen ist, die Innenstadtnähe. Dass es hier und da Defizite gibt, das ist wie überall anzumerken.

3. Der Sonnenberg besitzt Entdeckungpotential, ein kleines Filetviertel. Die bisherigen Zuschreibungen zum Sonnenberg gehen an der Realität vorbei.

SO: Da Sie ja schon 14-Jahre am Sonnenberg leben. Gab es nach Ihrer Ansicht in der Vergangenheit so was, wie eine breit angelegte positive Imagekampange für den Stadtteil?

MB: Ganz ehrlich beantwortet, Nein! Null-Komma-null.

Das Viertel kann ich schon einschätzen, weil ich lange und bewusst hier am Sonnenberg wohne. Es gab keine organisierte Form, die sich dieses Themas angenommen hat, bzw. habe ich diese, nicht mitbekommen. Wenn es etwas gab, war es so subtil, dass man lange danach suchen musste. Es müssen definitiv andere Formen der Vermarktung genutzt werden.

SO: Wir als Fußballenthusiasten kommen natürlich nicht umhin und müssen ein paar Worte zum Chemnitzer FC verlieren. Der Verein bekommt ja hier am nördlichen Sonnenberg ein neues Stadion. Wie sehen Sie den Stadionentscheid?

MB: Da der Fußball in dieser Stadt eine feste Größe ist, finde ich das gut und das die Fans einer Mannschaft Herzblut (wie bei uns im Ruhrgebiet) mitbringen, liegt auf der Hand und da habe ich absolutes Verständnis.

In der Außenwahrnehmung ist der Chemnitzer FC eine feste und wichtige Größe. Das ist für den Imagetransport enorm wichtig. Die Himmelblauen verbindet man automatisch mit Chemnitz und deshalb braucht man eine moderne Arena, wo das auch Gelebt wird. Das ist etwas Gutes und ein Meilenstein.

SO: Als Moderator sollte ich neutral bleiben, aber ich weiß, was mit solchen positiven Entscheidungen letztendlich für eine ganze Region gewonnen wird. Auch ich habe mich für Chemnitz gefreut.

Mittendrin und unerwartet (?),  plötzlich sind wir beim Du angelangt.

Detlef: Uns wurde berichtet, dass es 1999 so etwas wie ein Aufblitzen im Stadtteil gab, wie auf der Hainstraße mit ihren diversen Läden. Zarte Anklänge, die ein wenig an die Dresdener Neustadt erinnern? Hast Du das so ähnlich empfunden?

Marcel: Richtig, da gab es Tendenzen. Du, die Besonderheit bleibt aber aktuell auf dem Sonnenberg und zwar in der Form, dass du hier nach 18 Uhr noch städtisches Leben antriffst. Das Leben ist hier auf der Straße sichtbar. Klar, mit allen Facetten. Positives wie negatives, wie in jeder anderen Stadt Deutschlands. Die Kneipenszene bildet momentan nur eine Verinselung ab und das muss besser werden.

Detlef: Einwurf: Evtl. könnten sich diese Leute und Gewerbetreibende beim Eigentümerstammtisch einfinden um wie ihr, ein Netzwerk mit Euch und anderen aufbauen?

Marcel: Das wäre sicherlich für den Prozess und die Gewerbetreibenden hilfreich.

17.05 Uhr: Nach 2 Stunden inklusive kleiner Nachspielzeit sind wir am Ende eines interessanten Gespräches (hin und wieder in Form eines Doppelpasses) angelangt.

Das war das etwas andere Interview mit einem inzwischen bekennenden Sonnenbergers. Sehen Sie es uns nach, wir Ruhrgebietler (DO+GE) raufen uns zusammen, springen für manch einen in die Bresche, biegen manches Spiel um und sind summa summarum:
Etwas anders, als erwartet. So wie der Sonnenberg!

Der Schalker sagt: Vielen Dank Marcel für das informative Gespräch und wie ich feststellen konnte, mit einem netten Menschen und Fan von Borussia Dortmund.