„Wohnst Du noch oder lebst Du schon?“
Mit diesem Slogan veranstaltete die Van de Velde Gesellschaft Sachsen in Kooperation mit dem Verein StadtHalten Chemnitz e.V. vom 18.11.-20.11.11 einen dreitätigen Workshop um das Thema Wohnen, über Wohnideen und Wohnkonzepte. Nach Vorträgen und praktischen Übungen wurde über die Themen diskutiert und reflektiert. Die Künstler Simone Zaugg und Pfelder richteten gemeinsam mit TeilnehmerInnen aus dem Workshop zwei Wohnungen ein. Der Ausgangspunkt der Überlegung für die Einrichtung waren Fragen „Was brauchen wir unbedingt?“; „Welche Zimmer sind erforderlich?“; „Wieviel Platz braucht der Mensch?“ In dem Haus Zietenstr. 2a waren wir auch auf dem Sonnenberg aktiv.
Lars Faßmann hatte uns eine Wohnung zum Basteln und Probieren zur Verfügung gestellt. Bei der Besichtigung am Sonntag gab es aus dem Teilnehmerkreis großes Interesse an dem Projekt „Konserviertes StadtQuartier“ und an den Häusern in den Karrees. Übereinstimmend wurde festgestellt, dass das Quartier und der gesamte Stadtteil das Zeug dazu hat, zum „Inviertel“ von Chemnitz zu avancieren. Dieser Eindruck sei vor allem deshalb vorhanden, weil man seit einiger Zeit spüre, dass sich auf dem Sonnenberg „etwas bewegt“.
In einem Magazin aus Chemnitz hat sich die dortige dorfjugend unlängst über Pfelder ausgelassen.
Ich denke, Mentalitätsggeschichtlich (Ostdeutschland) durchaus lesenswert:
Nimm Platz in der Zukunft
Kunst im öffentlichen Raum als Scharnier in gesellschaftlichen
Umwälzungsprozessen
Als am 28.11.10 auf dem Bernsbachplatz gegenüber dem ehemaligen Kulturprojekt Reitbahnstraße 84 das Kunstwerk „Nimm Platz“ vorgestellt wurde, waren bis auf eine Gruppe alternder Jugendlicher, die sich offensichtlich mit dem Viertel verbunden fühlten, keine anderen Gäste anwesend. Nachdem alle Vorraussehbarkeiten der zugegen seienden Baubürgermeisterin Wesseler im Duktus von „Möge dieses Kunstwerk…“ vorüber waren, entspann sich eine in Chemnitz nicht so häufig zustande kommende Diskussion über „Sinn und Unsinn“ von Kunst „im öffentlichen Raum“. Eine Verwandte von mir brachte einmal den Wunsch zum Ausdruck, bei einem gepflegten Glas Rotwein und Kerzenschein mal „richtig über Kunst reden“ zu wollen; so zünftig ging es dann aber doch nicht zu.
Der Künstler „Pfelder“, der im heimatlichen rotrotesten Berlin auch einmal über die „Kommerzialisierung öffentlicher Räume“ (Stichwort: Gentrifizierung) nachsinnt, kam in der Provinz über blasseste Affirmation gesellschaftlicher Zustände nicht hinaus. Nein, konnte er den ehemaligen Raumpionieren im Brustton kosmopolitischer Wendigkeit versichern, dieses Kunstwerk habe trotz der räumlichen Nähe zum ehemaligen Kulturprojekt Reitbahnstraße 84 nicht einen Scheißdreck mit ebenjenem zu tun. Vielmehr handle es sich um einen „wertneutralen Freiraum“, der zunächst einmal jenseits von lokalen Befindlichkeiten kreiert worden sei. Da saßen die Scheißer nun da und mussten sich vom Zuagroasten eine gehörige Engstirnigkeit bescheinigen lassen, noch dazu provinzielle Zurückgebliebenheit und das Festbeißen an einem artikulären Problem. Man sagt ja, seit dem durch allerlei „artist in residence“ Programme und eingekaufte Sinndeuter auch Chemnitz durch Fördermittel auswärtiger Künstler ansichtig wird, dass diese einem einen „neuen Blick“ auf die eigene Stadt ermöglichen würden. Das ist allerdings meist nur im Leporello des Förderantrags zu lesen. Jener „neue Blick“ beschränkte sich hier indes auf einen debil grinsenden Windbeutel, der den unzufriedenen Jugendlichen auf seine Weise sagte, dass diese Welt nun einmal alternativlos sei und wir wohl das Beste daraus zu machen hätten, also irgendetwas mit „wertneutral“, „offen“, natürlich auch „nicht so verkopft, ne“, und am besten noch flexibel. Das zu Fleisch gewordene postfordistische Nervenbündel seiner Zeit.
(…) Vielmehr zeigt sich hier exemplarisch die Überflüssigkeit der im subversiven Scheinjargon angepriesenen „Interventionen“ in den öffentlichen Raum, der von der ansässigen Bevölkerung, und darin noch barbarischer als die künstlerischen Quacksalber, ohnehin als „Quatsch“ empfunden wird. Kunst, die ihrem Begriff überhaupt noch gerecht werden wollte, müsste zuvorderst Erfahrungsmöglichkeiten offenhalten, nicht stumm und konsequenzlos die ohnehin vorfindlichen gesellschaftlichen Bewegungsrichtungen noch bestätigen. Oder aber, und das käme der Kapitulation und dem Ende von Kunst gleich, auf die Normalform von Waren gebracht werden: All die unhaltbare dissidente Rhetorik von “Intervention“, „künstlerische Auseinandersetzung mit…“ und „kritischer Hinterfragung“ ausklammernd und nichts suggerieren wollend außer: „Es ist nunmal so“.