Besuch bei Künstlern: Stephanie Brittnacher
Als ihr “Chemnitzer Wimmelbuch” erschienen ist, haben wir Stephanie Brittnacher zum Kunstgespräch besucht.
Wer?
In Hessen geboren, studierte Stephanie Brittnacher (*1985) im nahen Mainz Kommunikationsdesign. Der erste Job führte sie in den Osten nach Dresden.Vor fünf Jahren zog sie, inzwischen Mutter einer Tochter, nach Chemnitz und startete in die Freiberuflichkeit als Illustratorin und Designerin.
Beziehung zum Sonnenberg?
Es ist ihr Arbeitsort, wurde Wohnort, Ausstellungsort und jetzt auch noch Thema ihres dritten Buchs. Nach einem halben Jahr mit einem eigenen Büro („zu einsam“) wechselte sie an einen Schreibtisch im Kabinettstückchen, dem Co-Workingspace in der Zietenstraße 2 a. Hier knüpfte sie Kontakte zu anderen Kreativen auf dem Sonnenberg, wurde Mitglied im Verband „Kreatives Chemnitz“.
Letztes Jahr zum Schulanfang der Tochter in der Lessingschule bezog sie auch eine Wohnung in der Mitte des Stadtteils. Dann wurde der Wunsch nach einem eigenen Arbeitsraum mit mehr Platz wieder wach – und direkt im Erdgeschoss des Wohnhauses erfüllt.
- Skizzen
- Vorstadium der Sonnenberg-Seiten
- Titel
Da hatte sie schon ihr zweites Buch veröffentlicht, ein Wimmelbuch über die Insel Spiekeroog. Und arbeitete an dem Exemplar über Chemnitz, in dem die Doppelseite über den Sonnenberg ihre Lieblingsseite ist. Im Sommer hatte sie zudem ihre erste Ausstellung im KaffeeSatz. Und wirkte dokumentarisch für die „Artists in residence“ der Dialogfelder mit, das heißt, sie zeichnete und schrieb zu den angereisten Künstlern, die unter anderem das Späti eröffneten. Da durfte sie auch bei den Künstlern der neuen Ausstellung in der Galerie denkART nicht fehlen. Der Vorsitzende Hellfried Malech ließ nicht locker, als sie im schönen Stress wegen des neuen Buchs erst nicht reagierte. Dann lieferte sie drei Tuschezeichnungen. Und ließ gleich auch noch ihren begabten syrischen Praktikanten Alaa Naeleh frisch auf dem Sonnenberg entstandene Architekturzeichnungen beisteuern.
Wie sieht es im Atelier aus?
Eine Altbauwohnung mit hohen Decken und hellen Dielen ist es: was auf dem Sonnenberg zu mieten möglich ist und wovon man in Berlin nur träumen kann… „Da habe ich es im Sommer gut ausgehalten“, so Brittnacher. Ein breiter Flur mit Küchenzeile, ein Bad und ein Raum mit weißen Wänden. Drei Tischplatten auf Holzböcken, zwei Bürostühle, eine Musikanlage, Bücher auf dem Fensterbrett, ein paar angepinnte Bilder und Notizen, das ist schon die Einrichtung. „Ich mag es gern aufgeräumt“, erläutert Stephanie Brittnacher. Und dass sie einerseits bodenständig sei und andererseits viel unterwegs war, etwa vor zwei Jahren mit der Tochter durch den Norden Kanadas zog und sich erst langsam fest in einer Umgebung einrichten würde.“ Die Lampen habe ich erst diese Woche aufgehängt“, erklärt sie und zeigt auf die Kabel mit nackten Glühbirnen.
Ein schwarzer Fineliner und ein postkartengroßes Stück Papier ist ihr häufig Arbeitsmaterial genug. Und der Laptop und das angeschlossene Grafiktablett, auf dem sie mit einem Stift zeichnet. Hier hat sie ihre Farbpalette, ihre eingescannten oder direkt digital gezeichneten Skizzen. Hier hat sie in vielen Ordnern auf der Festplatte die Szenen und Bilder des Wimmelbuchs in allen Einzelheiten gespeichert. „Bäume vorne“ oder „Müll“ heißen sie, wo sie die Sammler des Frühjahrsputzes verewigt hat.
Welche Kunst gibt es?
„Bei meinem ersten Professor haben wir richtig Zeichnen gelernt, Materialstudien und natürlich Menschen“, erzählt sie und entrollt mit Praktikant Alaas Hilfe Aktstudien und Gesichter, gezeichnet auf großen Papierbögen. Möglichst realistisch sollte es sein. „Ich habe Lust, richtig zu malen, etwa mit Acrylfarben“, sagt sie und überlegt, eine Holzwand als Untergrund anzubringen.
Andererseits schaffe das Digitale eine eigene Ästhetik. Und für ihre Aufträge, die letztlich alle digital als Druck oder im Internet veröffentlicht werden, liegt es nahe, das Werk gleich so zu erstellen. Für Weihnachtskarten zum Wimmelbuch brauchte sie nur die entsprechende Seite zu bearbeiten. Für die Ausmalbilder vom Sonnenberg wurden die Farben weggeklickt, und Alaa zog am Laptop die Linien nach.
Brittnachers Fähigkeit, genau zu zeichnen, verbunden mit Phantasie und Lust an Geschichten, sorgt für den Erfolg der Wimmelbücher. Und das von Chemnitz findet sie selbst noch besser, „poppiger“, als das von der Urlaubsinsel. 50 Stunden brauchte sie für eine Doppelseite, ging immer wieder zu den Orten hin, fotografierte. Orte, die Familien aufsuchen, sind in der Reihe des Verlags die Motive. Brittnacher entschied sich für Stadtteile statt einzelner Plätze.
Beim Sonnenberg ist der Bauspielplatz im Blickfeld, daneben Lessingschule und der Lessingplatz mit der Tischtennisplatte, zusammen komponiert mit Häusern, dem Seifenkistenrennen, dem CFC-Stadion, Autobastlern, Häusern und den Türmen der Markuskirche. „Ich gehe da völlig drin auf und hatte freie Hand.“ Gern würde sie noch mehr Stadtteile zeichnen.
Der Brühl sei leider hinten runter gefallen, das kleine Buch aus dicker Pappe war mit Rabenstein, dem Kaßberg, dem Schloßteich, der Parkeisenbahn und ihrem Heimatkiez voll. Im neuen Jahr wird die offizielle Glückwunschkarte der Stadt eine Illustration von ihr zeigen.
Liebevoll ohne Schönfärberei ist ihr Stil. Das passt zur Aufmerksamkeit, den die Stadt zur Zeit auf sich gezogen hat. Die Künstlerin ist zwiegespalten. „Da male ich knallblauen Himmel und grüne Wiesen“, zeigt sie auf das Buch. „Aber identifizieren kann ich mich momentan noch mehr mit meinen kleinen Zeichnungen in schwarz-weiß“, und nimmt ein kleines Bild mit einem verträumten Hund auf seinem Kissen in die Hand. Pläne für neue Projekte hat sie jedenfalls genug.
Katharina Weyandt
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