Besuch bei Künstlern: Svenja Zimmermann
Eine Künstlerin, die bei vielen Sonnenberg-Aktivitäten mitmacht, ist Svenja Zimmermann. Wir haben sie in ihrem Wohnatelier besucht. Wer?
Svenja Zimmermann (* 1977) ist gebürtige Karl-Marx-Städterin und Sonnenbergerin. Mit Kunst erntet sie schon früh Ärger wie auch Lob: „Als Kind habe ich immer rumgekritzelt. Auch Wände in der Wohnung oder die Bänke in der Schule schön gestaltet. Da hat mein Mathelehrer mich gepackt und meine Nase als Radiergummi benutzt.“ – „Malen war mein Lieblingsfach, da habe ich immer eine 1 abgesahnt, ich weiß nicht warum.“ Eine Ausbildung machte sie im Gartenbau, musste dazu nach Erfurt ziehen. War es die richtige Entscheidung? „Ich habe viel mit Mutter und Oma diskutiert – Garten oder Maler/Lackierer? – und habe mich dazu überreden lassen.“ Zurück in Chemnitz, blieben Bewerbungen um eine Stelle ohne Erfolg. Svenja jobbte im Gerüstbau, bei Abriss/Entkernung, mit Zeiten der Arbeitslosigkeit, wenn eine Baustelle fertig war. In der Freizeit hat sie immer gemalt. Auch eine Umschulung als Maler/Lackierer hat sie absolviert, aber durch einen Arbeitsunfall die Prüfung verpasst. Beim „Verein zur Beruflichen Förderung und Ausbildung e.V.“ hat sie zwischendurch das Tapezieren gelernt.
Mit Kunst beteiligt sie sich: „Da habe ich auf kleine Holzplatten schicke Bilder gemalt, und Bauernmalerei, wenn einer mit einer alten Milchkanne kam.“ Privat hat sie in den Jahren Graffiti entworfen. Sie greift nach einem dicken roten Aktenordner mit Entwürfen in Klarsichthüllen. „Mein Erkennungszeichen, mein tag, war ‚Snoop‘, die beiden o als Augen.“ Sie gehörte zu einer kleinen Gruppe, deren Mitglieder gegenseitig die Entwürfe beurteilten. Da wollte sie eine Straßenbahn besprayen – und wurde erwischt. „Zwei solcher Akten liegen noch bei der Polizei in der Asservatenkammer. Wenn ich wieder etwas gesprayt hätte, hätten sie den Stil verglichen“, erklärt sie. Über Konzerte im Südbahnhof fand sie zur Gothic Szene, lernte den Straßenmusiker Noctulus kennen.
Beziehung zum Sonnenberg?
Als Noctulus 2013 für seine „Kunstfabrik“ einen neuen Ort suchte, fand er über Svenja die alte Leistnerfabrik an der Tschaikowskistraße, wo heute der Netto ist. „Wir haben uns verschiedenes angesehen, das wurde es dann“, erzählt sie in sachlichem Ton. Der Besitzer setzte sie dort quasi als Wache gegen Vandalismus ein. Im August erlebten sie um sich herum das 10. Kunstfestival „Begehungen“. Svenja malte ein Werbeschild, das in ihr Freiluftatelier auf dem Fabrikhof einlud. Hellfried Malech, später denkART-Gründer, wurde aufmerksam. An einem Abend kurz vor Halloween zeigte sich die Kunstfabrik erstmals einem beeindruckten Publikum außerhalb der eigenen Szene. Noctulus zog später wieder weg, das Haus wurde abgerissen.
Aber Svenja hatte dauerhaft Anschluss an den bunten Sonnenberg gefunden. In einem leeren Faßmann-Haus in der Körnerstraße gründete sie mit anderen eine neue Kunstfabrik, lud 2014 zu Weihnachtsfeiern ein, war 2015 bei der ersten Kunst- und Kulturnacht in der Markuskirche, half der Künstlerin S.I.M 2016 beim Mehrtages-Festival KuKuMai und stellte mit aus, war 2017 beim ersten „Hang zur Kultur“ und zum zweiten Mal in der Markuskirche dabei. Nicht gezählte die Künstlermärkte in der Sachsenallee, im Tietz, im Bürgerzentrum. Und die Kreativeinsätze bei Festen. Gerade erst fror sie mit ihrem Stand im Regen beim Albertiparkfest und zählte nach der Wetterberuhigung ab Mittag doch noch vierzig von Kids mit ihren Schablonen besprayte Stofftaschen. Jetzt arbeitet sie im Saatgutgarten mit und hofft – ihr größter Wunsch – auf eine Stelle nach dem neuen „Teilhabechancengesetz“. Und der künstlerische Kalender ist dicht gefüllt. Am 13. Juni hatte sie eine eigene Vernissage im Bürgerzentrum, am 15. Juni beteiligte sie sich beim 3. „Hang zur Kultur“ auf dem Sonnenberg und am 29. Juni Stand beim Lessingplatzfest.
Wie sieht es im Atelier aus?
Die Künstlerwohnung im letzten bewohnten unsanierten Haus der Körnerstraße zu beschreiben würde ein Buch füllen. Im Vorsaal ist die größte Wand bedeckt mit Drucken der spanischen Künstlerin Victoria Francés im Stil schwarzer Romantik. „Düster, Vampir, Tod, das beschäftigt mich“, charakterisiert Svenja die Auswahl. Gegenüber hängen Motive der Malerin, die sie freihand abgezeichnet hat. Über der Tür „Das ist von meiner Mutter, die auch viel malte, eine Elfe mit Flügeln und Zauberstab. Sie hatte ein Phase, wo sie jede Menge Elfen zeichnen musste.“ Jeder Fleck ist genutzt. Die Tür nach außen ziert in der Mitte ein Wiesenblumenposter, ringsherum Aufkleber „Sonnenberger sind wir“ mit fröhlichen Gesichtern, darüber Visitenkarten. Die ganze Einrichtung hat sie aus Altem zusammengesucht, oft bei Entrümpelungen. Ein kleines Jugendfoto im ovalen Goldrahmen? Nicht von ihr, aus Adorf. Das große Holzkreuz an der Wand, unten angespitzt? Von einem Beerdigungsinstitut. „Das sollte in den Container, vielleicht ziert es mal mein Grab“, meint Svenja. Sofa, Tische, Regale, Heimorgel – im Musikzimmer ist es gemütlich und voll. Ein Spiegel, umrahmt von künstlichen Blumen und Fächern, hängt neben dem Fenster, auf der anderen Seite ein Badzimmer-Spiegelschrank mit vielen Schminkutensilien. Im Winter heizt Svenja sparsam nur hier den Kachelofen an. Klamotten- und Malzimmer dienen mit als Lager.
Seit über zehn Jahren macht Svenja auch Musik, und zwar vor allem mit dem Computer. Ein großer Bildschirm, umgeben von Elektronik, zeigt in dem Raum das Heute. „Auf dem Rechner sind alle Instrumente drauf, die ich brauche“, erklärt Svenja. Und dazu kann sie mit einer Loops-Station, einem kleinem Kasten mit Drehschalter, die E-Gitarre verbinden und so eigene Töne in den Rechner einspeisen. Mit dem Programm „FLStudio“ kreiert sie ihre Musik. Öffentliche Premiere war bei der ersten Einzelvernissage von Dmytro Remestvensky im KaffeeSatz.
Am 17. August wird sie in Chemnitz bei der „Future Parade“ auf einem LKW auftreten. Aber sie kann auch mit Lungenkraft Klänge aus einem uralten Instrument hervorholen und lässt ein Digeridoo ertönen, das Instrument australischer Ureinwohner. Allein und mit Kindern baut sie Instrumente selbst, zum Beispiel Regenstäbe beim Stadtteilfest. Eine Pappröhre mit Nägeln innen und kleinen Steinen ahmt die Regenmacher aus verholztem Kaktusrohr nach.
Welche Kunst gibt es?
Alles ist Kunst im Sinne bewusster Gestaltung, was an Svenja und rund um sie herum zu sehen ist. Ihre wollene lange Jacke, ein Designerstück, gerade für 2,50 Euro erworben. Sie malt in Acryl. Vor der Tür im Treppenhaus hängt das neuste Bild, „Die Geburt der 3 Drachen“. Über dem Sofa „Isla de la muerte“, eine Sirene in blond. Vielleicht hat ihr Stil auch etwas mit den japanischen Mangas zu tun, die sie gerne in Videos schaut, überlegt sie. Sie lässt sich immer von neuen Motiven inspirieren.
Katharina Weyandt
Fotos: Eckart Roßberg, Hellfried Malech
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