Besuch bei Künstlern: Doreen Grün
Die Malerin und Keramikerin Doreen Grün hat vor knapp einem Jahr auf dem Sonnenberg ihr Ladenatelier eröffnet.
Wer?
Mit drei Jahren im Ballett und später beim Jazz Dance, da Doreen Grün (*1966) zuerst ihren Blick für Raum und Bewegung geschärft. Warum sie nach dem Abitur nicht auf Kunst als Unterrichtsfach zugesteuert war, habe sie sich selbst öfters gefragt. „War ich von der Familie nicht genug gefördert? War ich nicht mutig genug?“ Aber Lehrerin für Sprachen – zuerst Russisch, dann nach der Wende im Fernstudium Französisch – und Geographie sei auch schön gewesen.
Entscheidend sei die Leidenschaft, etwas in sich zu tragen, was nach Ausdruck drängt. Das förderte sie zuerst bei ihren Schülerinnen und Schülern am Chemnitzer Schulmodell in zahlreichen Projekten. Sie erinnert sich: „Zum Beispiel hatte ich eine Woche zusammen mit afghanischen Jugendlichen Portraits gemalt. Was würde da passieren – wo die Taliban doch jede menschliche Darstellung in der bildenden Kunst verbieten, also keinerlei Vorkenntnisse vorhanden waren?“ Und nach intensiver Begleitung hätten alle tolle Portraits in Öl gemalt, etwa einer seinen Vater.
Sie ist überzeugt: „Der künstlerische Ausdruck ist universell, jeder kann ihn lesen. Diese Energie aus den Kindern heraus zu locken, zu testen, wie weit sie gehen können, habe sie als Pädagogin begeistert und sich selbst künstlerisch weiterentwickelt. Seit 2003 hat sie sich in diversen Kunstkursen und Selbststudium weitergebildet. Positive Resonanz auf erste Ausstellungen, zum Beispiel seit 2013 beim Chemnitzer Künstlerbund, ermutigten sie. Nach 25 Jahren in der Schule startete sie 2015 neu als freiberufliche Künstlerin.
Beziehung zum Sonnenberg?
Zuhause im heimischen Kappel richtete sie sich 2017 zuerst im Keller eine Werkstatt ein, wo sie auch weiter ihre Keramiken formt und brennt. Dann suchte und fand sie ein Ladenatelier. „Der Sonnenberg als lebendigster Stadtteil in Chemnitz passt zu mir. Er hat Entwicklungspotential, ich habe ja auch gerade erst angefangen“, sagt sie. “Da fühle ich mich wohl, verschiedene Menschengruppen laufen vor meinen großen Fenstern vorbei, Kinder, die sich auch mal rein trauen und sich was erklären lassen.“ Sie knüpft Kontakte, zum Beispiel zu Hanna Remestvenska, die neben ihrer Arbeit als Gemeinwesenkoordinatorin ihr Ladenatelier gleich um die Ecke in der Markusstraße eröffnet hat. Sie war bei der Stadtteilversammlung, will sich einbringen.
Eine unbekannte Spur hat sie schon im Stadtteil hinterlassen, nämlich in der Architektur der Entdeckerschule an der Heinrich-Schütz-Straße. Und zwar war die ursprünglich als Doppelschule von Körperbehindertenschule und Chemnitzer Schulmodell geplant. Dafür hatte Doreen Grün acht Jahre lang mit einer Schulbaugruppe unter ihrer Leitung Ideen gesammelt und die Ausschreibung für die Architekten vorbereitet, zusammen mit dem heutigen Baubürgermeister Michael Stötzer. „Bis zur letzten Steckdose war alles fertig, dann kippte nach der Landtagswahl 2009 die neue Regierung das Projekt“, erzählt Grün. Aber die vorhandenen Pläne flossen sowohl in den Neubau auf dem Sonnenberg als auch in den Aus- und Anbau des Komplexes für das Chemnitzer Schulmodell an der Stollberger Straße ein.
Wie sieht es im Atelier aus?
Roter Porphyr, grüne Fensterrahmen, gegenüber die Kirche St. Joseph und das Evangelische Schulzentrum – das Ladenatelier ´liegt an einer schmucken Ecke des Gründerzeitviertels. Der „Strumpf-Hoffmann“, ein Textilgeschäft, war hier früher, erinnert sich Stadtteilchronist Eckart Roßberg. Vorne im Laden mit den beiden Schaufenstern nehmen weiße Regalen und eine Theke Keramiken auf. Die Möbel sind dezent, praktisch, von Doreen Grüns Ehemann aus Materialresten selbst gebaut. Im hinteren Teil mit Fenster zum Hof schützt eine graue Fliesmatte das Parkett. Hier stehen die Staffeleien, Ölfarben und Pinsel liegen auf einer Tischplatte. Im Flur daneben ist Platz an der Wand für weitere Bilder.
Welche Kunst gibt es?
Große Ölbilder erzählen Geschichten, etwa das dreiteilige Werk „Der Spiegel ist zerbrochen“ mit einem Frauenakt in der Selbstbetrachtung. Doreen Grün sagt, sie liebe Kontraste, verfremde gern, als sie eine Darstellung behinderter Tänzer unter dem Balkenwerk der Decke einer toskanischen Kirche zeigt. Auf den flüchtigen Blick des Betrachters „Kenn ich’“ kann so die Irritation folgen, der Schritt zurück, um sich das Werk genauer anzusehen. Daneben malt sie abstrakte Bilder, Farben in mehreren Schichten über einen längeren Zeitraum. Ein Langzeitprojekt sind auch Portraits, immer in der gleichen schrägen Kopfhaltung.
Die Keramiken sind alles Unikate, die Figuren und auch die Schalen und Kannen zum Gebrauch. „Mich reizen die akkurate Form und der schöne Klang“, zeigt Doreen Grün und lässt eine kleine weiß glasierte Schüssel klingen.
Und einfach als Beitrag in der Coronakrise bietet sie auch selbst genähte Mund-Nasen-Schutzmasken an.
Das Ladenatelier von Doreen Grün ist (außerhalb der Ferien) regelmäßig Mittwoch und Donnerstag von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Oder wenn sie malt – einfach probieren. www.atelierdoreengruen.de
Text: Katharina Weyandt
Fotos: Eckart Roßberg
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