Das 41. Kunstgespräch in dieser Reihe widmet sich Dagmar Ranft-Schinke (*1944).

Dagmar Ranft-Schinke an ihrer Staffelei im Sonnenberger Atelier. Foto: Hellfried Malech


Wer?

Als Kind stromerte sie im heimatlichen Gablenz ständig durch die Natur. Beim Bauernhof an der Einmündung der Adelsbergstraße wurde die Milch geholt, und dort gab es Pferde. „Ich bin 63 Jahre lang geritten“, erzählt sie. Am liebsten wollte sie Tierärztin werden, aber als ihr klar gemacht wurde, dass sie als Frau den Beruf nur bei Kleintieren ausüben durfte, wechselte sie zu der anderen Passion von Kind auf, dem Malen. Pferde, mit Kohle aus dem Gedächtnis gezeichnet, brachte sie zu Papier, als sie an einem Tag der Aufnahmeprüfungs-Woche an der Hochschule für bildende Kunst Leipzig frei gestalten durfte – „und dann schauten irgendwann alle zu und staunten“, erinnert sie sich. An der Hochschule, als sie nach dem Studium bei Prof. Werner Tübke und Prof. Wolfgang Mattheuer schon im Diplom war, fand sie mit Thomas Ranft zusammen. In Adelsberg wurde dem Paar eine Wohnung zugewiesen. Hier wurde mit der Künstlergruppe „Clara Mosch“ von 1977-1982 Kunstgeschichte geschrieben. Auch wenn sich private Wege getrennt haben, bestehen die künstlerischen Beziehungen fort. Seit 1968 bis heute ist Dagmar Ranft-Schinke freischaffend als Malerin und Grafikerin tätig.

Beziehung zum Sonnenberg?

„Hier sind andere Menschen, ich beobachte gern von klein auf“, sagt sie. Adelsberg sei ländlich geprägt, der Sonnenberg städtisch mit unterschiedlichen Milieus. „Aber Mensch ist Mensch, hoffentlich nicht in Zukunft ein ‚Homo Robotic‘, das ist das wichtigste“, ist ihre Philosophie, zu der sie viele Geschichten aus ihren Leben, von ihren Reisen und der Familie, erzählt. Von Beginn an beteiligte sie sich unter anderem auch an Ausstellungen in der Galerie denkART in der Sonnenstraße.

 

Wie sieht es im Atelier aus?

In Adelsberg lebt sie, dort hat sie auch ein großes Atelier. An der Palmstraße hat sie ein „Stadtatelier“. Alles ist gefüllt mit Staffeleien, Bildern und Texten. In über dreißig Museen und Privatsammlungen befinden sich ihre Werke.

Welche Kunst gibt es?

Sie nutzt alle Techniken von Zeichnungen über Radierungen bis zu Aquarell und Acryl. Da sieht man den Entwurf zum Don Quichotte, der im letzten Herbst von der Graffitigruppe Rebelart an der Ritterstraße auf eine große Giebelwand gebracht wurde. Ein Motiv zu Käthe Kollwitz will sie dem Käthe-Kollwitz-Haus Moritzburg schenken. Sie berichtet, dass sie von der drohenden Schließung des Hauses gehört hatte und sich mit einem Brief an Ministerpräsident Kretschmer für den Erhalt eingesetzt hatte. „Ein Brief der Kultusministerin Barbara Klepsch“, die sich von einer gemeinsamer Veranstaltung an sie erinnerte, sicherte ihr die weitere Förderung zu, für die sich Tausende eingesetzt hatten.

Ihr schriftliches Werk sollte schon vor vier Jahren ins Archiv des Germanischen Nationalmuseums aufgenommen werden, aber sie könne sich noch nicht davon trennen, erzählt sie, und liest einen zeitkritischen Text vor. Die Gentechnologie, das digitale Zeitalter, die Entwicklung der Städte und allgemein die Gier nach Macht und Geld – allen diesen Themen widmet sich ihr Kampf, auch mit Worten. „Im Studium hieß es ‚malen Sie doch mal ein schönes Blumenbild’“, das war nicht ihr Ding. „Ich will den Finger auf die Wunde legen, aber ohne sie tiefer zu machen.“ Dabei fehlt nie der Witz, wie bei dem Werk, was sie für die aktuelle Ausstellung der Galerie denkART zum Thema Wasser ausgesucht hatte: Nessie, das sagenhafte Ungeheuer aus dem See „Loch Ness“.

 

Katharina Weyandt

 

Wartende Besucher des Kunstgespräches vor dem Haus, Foto: Eckart Roßberg