Künstlerin auf dem Sonnenberg: Annekatrin Foulquier
Wer? Annekatrin Foulquier (*1976) stammt aus Rostock. Zum Einschlafen legte die Mutter ihr immer Mozartplatten auf, vielleicht war das die Initialzündung?
Jedenfalls brachte sich die Erstklässlerin Flötenspielen und Notenlesen selbst bei und begann dann mit acht Jahren mit der Geige. Auch Klaviernoten mit dem Bass-Schlüssel wollte sie lesen und spielen, ohne Unterricht. Ob noch zu DDR-Zeiten bei den „Treffen der jungen Talente“ oder später bei „Jugend musiziert“ gewann sie Preise. Zwei Jahre verbrachte sie auf dem Musikgymnasium Belvedere in Weimar, bis sie 1996 durch Vorspielen die Aufnahmeprüfung für die neu gegründete Musikhochschule Rostock bestand.
Vom vorgezeichneten soliden Weg Richtung Orchestermusikerin begann sie abzuweichen, experimentierte mit einem DJ und einer Band mit elektronischer Musik, trat in Klubs auf, gastierte in Prag, Wien und Stockholm, lebte zwei Jahre in Berlin. „Nach diesen freien, aber anstrengenden Jahren hatte ich Sehnsucht nach den klassischen Werken, wollte ins Orchester zurück. Die Improvisation war auf Dauer erschöpfend“, erinnert sie sich. Sie bewarb sich erneut um einen Studienplatz, und lernte und arbeitete sieben Jahre in und von Leipzig aus. Ein Jahr absolvierte sie ein Praktikum in der Hamburger Staatsoper, was von der Zimmersuche her nicht einfach gewesen sei, aber ein Gewinn im Orchester. Zwei intensive Jahre spielte sie in der Jenaer Philharmonie. 2007 fand sie ihre Stelle als Geigerin in der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz.
Beziehung zum Sonnenberg? „Wir können nicht woanders wohnen“, sagt sie entschieden. Ihren Mann, den sie in Rostock im Umfeld der experimentellen Musik kennen gelernte hatte, erinnert der Stadtteil an seine Heimat Avignon in Südfrankreich. Sie heirateten in der Zeisigwaldschänke. Das Paar zog in die Ludwig-Kirsch-Straße. Annekatrin Foulquier schwärmt: „Wir sind glücklich und dankbar. Es ist ein schönes Zusammenleben, alle kulturellen Schichten, viele junge Familien. Wir haben die Schule der Kinder gegenüber, meinen Führerschein habe ich bei der Fahrschule Höchst gemacht, wir kaufen unsere Brillen bei Optiker Appelt, holen unser Bier bei Getränke Jaroch, gehen zum Kaffee zum Ferdinand, mit den Kindern auf die Spielplätze, alles fußläufig. Auf der einen Seite hat man Ruhe, auf der anderen Seite ist was los.“
Wie sieht es im Atelier aus? Das Gründerzeithaus, in dem zuletzt Doreen Grün ihr Ladenatelier eröffnete, hat sich zum Künstlerhaus entwickelt. Die Geigerin übt in der Familienwohnung, mal im Wohnzimmer, mal im Schlafzimmer, auch mal im Bad, „weil es so schön klingt“. Oder sie geht, auch im Lockdown, mal ins Theater in die Proberäume. Die eine ihrer beiden Geigen hat sie auch vom Sonnenberg, vom Geigenbauer Jakob Rechenberg aus der Palmstraße. Die andere ist in der italienischen Geigenbauerstadt Cremona angefertigt worden. Dazu einen Notenständer, mehr braucht sie nicht. Doch: „Meine Yogamatte wird immer wichtiger, ich muss viel die Muskeln dehnen und Gymnastik machen.“
Welche Kunst gibt es? Hat sie spezielle Vorlieben bei den Kompositionen? Sie wehrt ab. „Das ist ja alles interessant, die vielen Sparten Oper, Konzert, Streichquartett, das wechselt auch je nach Stimmung.“ Neue Musik mag sie nur bis zu einem bestimmten Punkt: „Wenn sie so schwierig zu spielen ist, dass ich nicht weiß, ob sich das lohnt.“ Als Beitrag zum Interview hat sie ein Stück des Russen Alexander Glasunow herausgesucht, spielt eine Stimme aus dem Quartett. Helle, dunkle, laute, leise, langsame und schnelle Töne, lebendig und präzise – die Tanzgruppe auf dem Bild von Doreen Grün im Hintergrund gerät quasi in Bewegung.
Im Orchester hat sie ihre Stelle zugunsten der Familie zur Zeit auf 75 Prozent reduziert. Sie beteiligt sich auch bei Kammerkonzerten mit Jakuv Tylman im Kraftwerk und anderswo. Mal muss eine Partitur schnell einstudiert werden, mal hat sie Zeit zur Vertiefung und um eine Beziehung zu dem Stück aufzubauen. Auch als Familienband mit den beiden Söhnen am Klavier und dem Ehemann am Saxophon trat sie schon auf. Oder bei einem Weihnachtskonzert 2020 im Hausflur als Ersatz für den ausgefallenen Musikschulauftritt. Eins bleibt: „Es ist mir ein Bedürfnis, täglich Geige zu spielen.“
Katharina Weyandt
Es ist so schön, auf dem Sonnenberg zu leben und diese wunderbaren Menschen portraitieren zu können. Danke an Doreen Grün, dass wir uns in ihren Räumen treffen konnten.
Diesen Text hatte ich für die letzte Sonnenberger-Ausgabe geschrieben. Jetzt entsteht gerader der neue Text über Irini Mavromatidou.