Zwischen „Maulwurf“ und gelbem Klinkerbau

An der Ecke Fürsten-/Uhlandstraße, Zeichnung von Ingrid Burghoff            Foto: Stephan Weingart

Jedes Jahr aufs Neue erfreuen uns die blühenden Zierkirschen in der Stadt. So auch hier an der Ecke Fürstenstraße/Uhlandstraße, sie setzen sich entlang der Uhlandstraße fort. Als wollten sie uns an das Gedicht „Frühlingsglaube“ von Ludwig Uhland erinnern: „Die linden Lüfte sind erwacht … Die Welt wird schöner mit jedem Tag, man weiß nicht, was noch werden mag, das Blühen will nicht enden.“

 

Ein Blick, wie ich ihn in meinem Bild festgehalten habe, bietet sich von der Treppe an der Schule gegenüber. Den modernen, verglasten Turm des Gebäudes gegenüber von der früheren Fabrik, in dem sich das „Café Maulwurf“ befindet, hat man mit Einfühlungsvermögen dem Alten angepasst. Hier warten immer viele Leute auf den Bus, haben sie einmal die Schönheit ihrer Umgebung wahrgenommen? Es ist eine Situation fast wie in südlichen Ländern, fehlen nur noch die Leute vor dem Café, die die Sonne genießen…

 

Ingrid Burghoff, Atelier 8-80

An der Ecke Fürsten-/Uhlandstraße, Fotos: Eckart Roßberg und Stephan Weingart

 

Der Maulwurf kann, so scheint es, bald als Wahrzeichen unseres Sonnenbergs gelten. An immer neuen Stellen sind hier an den Straßen Asphalt und Erde aufgeworfen. Noch ehe aber in das Eckgebäude an der Fürstenstraße die Voigt-Bäckerei einzog, hatte die vorherige Mieterin fast prophetisch ihrem Laden den Namen „Maulwurf“ gegeben. Wie uns die Wetterfahne auf der Kuppel verrät, ist dieses Gebäude im Jahre 1999 erneuert worden. Im selben Jahr sind auch die Bäume davor gepflanzt worden. Der Japanischen Zierkirsche wurde die heimische Vogelkirsche zugesellt. Wo man heute Kaffee und Kuchen oder einen Mittagsimbiss einnimmt, zog früher eine Eckkneipe mit Namen „Festung Königstein“ durstige Sonnenberg-Bewohner an. Die Mieter darüber, vorwiegend Arbeiter, hatten es nicht weit zu ihrer Feierabend-Freude.

Der gelbe Klinkerbau vis-a-vis aber war einst einer der wichtigsten Industriebauten des Sonnenbergs, hier wurden Strumpfmaschinen hergestellt. Begründet wurde der Betrieb von Hugo Alban Ludwig, der mit einer kleinen Werkstatt und zehn Arbeitern an der Oberen Brückenstraße begonnen hatte. Als er 1882 an der Fürstenstraße ein erstes Fabrikgebäude errichtete, stand dieses noch allein auf weiter Flur, denn die anschließenden Wohnbauten gab es noch nicht. Der besseren Orientierung halber enthielt deshalb sein Adressbuch-Eintrag den Zusatz „Nähe der IV. Bezirksschule“, das war die gegenüberliegende spätere Körnerschule. Das Unternehmen stellte sogenannte Cotton-Maschinen her – besonders leistungsfähige Strumpfflachwirkmaschinen nach dem System des Engländers William Cotton, die an die Stelle der Handwirkstühle getreten waren. Nachdem für die Cotton-Maschinen 1883 das Patent erloschen war, hatten sich verschiedene Chemnitzer Unternehmen dieser lukrativen Produktion zugewandt. Anfang des 20. Jahrhunderts, der Betrieb zählte mittlerweile an die 500 Beschäftigte, wurde der Klinkerbau errichtet. Um die unliebsame Konkurrenz auszuschalten, übernahm die Schubert & Salzer AG 1912 den Betrieb als Zweigwerk, nachdem der Firmengründer gestorben war. Zur Zeit der DDR war er als „VEB Tisora“ (Rationalisierung Textilmaschinenbau) bekannt, nach der Wende zog hier das Amtsgericht ein. Wer an der Uhlandstraße aus dem Bus steigt, erblickt zuerst das markante frühere Fabrikgebäude, bei dem Schmuckkanten aus grün glasierten Klinkern die Gliederung des langgestreckten Bauwerks unterstreichen. 2018/19 ist es für Bürozwecke umgebaut worden. Nur zur Uhlandstraße hin hat man für eine Ecke, in der Kriegsschäden auftraten, rote Klinker verwendet. Wie wohltuend unterscheidet sich doch dieses Gebäude von den phantasielosen, kastenförmigen Bauten, wie sie heute meist die Gewerbegebiete dominieren!

 

Ehemaliger Fabrikbau von Alban Ludwig, ganz rechts der Anbau einer früheren Firma für Elektromotoren, Foto: Stephan Weingart

 

Stephan Weingart, AG Sonnenberg-Geschichte