Wer?

1962 in München geboren und in Dachau aufgewachsen, begann Bettina Hain ihren Weg mit einer Ausbildung zur Holzschnitzerin in Oberammergau. „Mein Opa war Schreiner,

Bettina Hain portraitierte Fatima, die 2015 aus Syrien nach Chemnitz gekommen war. Sie nahm an einem Zeichen-Workshop teil, den Bettina Hain veranstaltet hatte. Foto: Eckart Roßberg

mein Vater Architekt, meine Mutter liebte das Material Holz“, erklärt sie diese Neigung. Nach der Gesellenprüfung studierte sie in Hamburg an der Hochschule für Bildende Künste. Dann lebte sie in eine christlichen Lebensgemeinschaft, aus der sie aber 2019 austrat. Noch mit der Gruppe war sie 2014 von Tschechien nach Chemnitz gekommen.  „Angesichts der Flüchtlingskrise, Pegida, AfD, wollte ich etwas entgegensetzen, etwas in der Stadt einzubringen.“, erinnert sie sich. Sie half mit beim Zirkusangebot von Don Bosco für Flüchtlingskinder. Und ging kleine Schritte auf dem Weg der Kunst. “Malen und Zeichnen hilft, ich habe mein Gegenüber an die Wand gehängt“, sagt sie. In Teilzeit arbeitet sie bei einem Pflegedienst.

Beziehung zum Sonnenberg?

Durch den Zirkus für Flüchtlingskinder des Don Bosco-Jugendwerks war sie 2016/2017 oft im Stadtteil: „Ich lernte den Sonnenberg kennen und lieben, auch die Gemeinschaft mit den anderen, die dort mitarbeiten“, erklärt sie. So siedelte sie sich hier an. Nebenbei war ihr der Name „Sonnenberger“ schon durch Nachbarn ihrer Familie gut bekannt – die hießen nämlich so!

Wie sieht es mit dem Atelier aus?

Seit sie im Stadtviertel wohnt, nutzte sie diverse Räumlichkeiten für die künstlerische Arbeit. Zuerst ihre Einraumwohnung auf der Hainstraße, leerstehende Ladeneinheiten in der Ludwig-Kirsch-Straße und der Frankenberger Straße. Vor einem Jahr bekam sie dann einen Atelierplatz in dem blauen Haus, der Jakobstraße 42. Hier nutzt sie jetzt zwei kleine Zimmer, eins schön weiß gestrichen, das andere zeigt noch die alten Farbspuren und weiße Putzflecken an den Wänden. Nur Heizung, Stromanschlüsse und Fenster sind neu. Sie hat einen Arbeitstisch „zum Herumschieben“ in das richtige Licht, drei Deckenlampen mit Tageslicht-Leuchten, denn „es kommt auf die kleinste Kleinigkeit an“, sagt Bettina Hain. Ein Schubladenschrank, ein Schnitzbock, Sitzgelegenheiten, Regale ergänzen das Mobiliar. Vor der Tür im Treppenhaus hängt ein Kreuz, „mal nebenbei im Studium modelliert“, sagt Bettina Hain.

Einer der drei Protagonisten aus der social-Media-Serie. Foto: privat

Welche Kunst gibt es?

Die Druckwerkstatt unten im Haus, in der sie „bei Anatoli Budjko immer sehr unkompliziert drucken konnte“, ließ sie für die ersten Projekte die Druckgrafik wählen: „Sonst hätte ich vielleicht geschnitzt und modelliert.“

Ihre Werke beginnen immer mit einem Kontakt. Zum Beispiel las sie einen Aufruf aus dem Rathaus an Zeitzeugen, ihre Geschichten vom Kriegsende zu erzählen. Das regte sie an, sich als Vermittlerin dieser Geschichten einzubringen, für die, die es nicht selbst erzählen können. Sie sprach mit Menschen, die sie über ihre Arbeit in der Pflege oder privat kennen gelernt hatte. Dabei skizzierte sie sie und arbeitete das Material zum Druck aus.  Daraus entstand eine Ausstellung in der Jakobikirche zum 5. März 2021, die inzwischen auch in einer Galerie in Dachau zu sehen war. Zuletzt zeigte sie im Weltecho bei einer Veranstaltung Texte und Grafiken zur Frage des fairen Miteinanders im Internet. Drei Typen hatte sie portraitiert: Julia, die Tiktok nutzt, Martin B., der von Anfang an dabei ist und von Suchtpotential spricht, und @bjawebos, der die Konzerne kritisch sieht und die Plattform Mastodon bevorzugt. Wie Hassbotschaften die Politik verändern, wurde im Zusammenhang mit dem kirchlichen Plan, 2025 in Chemnitz eine Nagelkreuz-Gemeinschaft zur Versöhnung nach dem Beispiel aus Coventry zu gründen, behandelt.

Drucke hängt sie an einer Leine auf, fotografiert sie mit dem Handy ab. Und überlegt, ob sie schon fertig ist oder etwas nacharbeiten will, zum Beispiel Julias Pullover von schwarz zu weiß ändern.

Ein Unikat aus einem Workshop ist das Bild einer Statue der „Heiligen Elisabeth von Thüringen“: Es ist eine Cola-Lithographie – Alufolie  mit Coca-Cola geätzt und gedruckt. Wie diese Frau sich vor 800 Jahren caritativ betätigt hat, reflektiert die Künstlerin Hain: „Unser Sozialsystem gab es damals noch nicht, aber damals wie heute macht helfen Freude.“

 

Katharina Weyandt

 

Das nächste Kunstgespräch findet mit Thomas Stadler am 24.10.2023 statt. 
Die Veranstaltung dazu findet ihr HIER.