Wer?

Wie entstand die Ein-Frau-Band mit dem Namen „Jens Ausderwäsche“? Jenny Kretzschmar, 1995 in Rochlitz geboren und in Geringswalde aufgewachsen, war schon von klein auf an Musik interessiert. Mit 13 fing sie an, sich Gitarrespielen selbst beizubringen. Über eine Lehrerin fand sie zur Schreibwerkstatt der Germanistin Silvia Eggert. In der Stadtbibliothek in Döbeln, einmal im Quartal, wurde zudem ihr Talent als Texterin geweckt. Mit 15, 16 schrieb sie die ersten Songs. Und zog von der 5000-Einwohner-Landstadt in Sachsen, wie Geringswalde in der Wikipedia genannt wird, in die Großstadt Chemnitz. Anlass war die Ausbildung zur Physiotherapeutin. Aber die wichtigste Inspiration fand sie in der Rößlerstraße 13 in Altchemnitz, einem riesiges Gründerzeit-Eckhaus. Das bot ihr unsaniertes billiges WG-Wohnen mit künstlerischen Freundinnen. „Chemnitz war schräg. Wir sind von einer Freundesgruppe in die nächste gestolpert, haben in der Nische experimentelle Musik, Punk, Rap, Liebhabersachen gemacht.“ 2016 startete sie mit Florian Illing die Band „Baumarkt“, „weil wir gerade an einem Baumarkt vorbeikamen.“ In der Coronazeit wurden aus Live-Auftritten vermehrt Kassetten, CD’s, Platten beim Label der WG-Adresse Rö13, um „in der Krise sichtbar und hörbar zu bleiben“, gefördert von der Stadt Chemnitz.

Woher der Name, fragte der Publizist Matthias Zwarg. als er 2021 das neue Album „Mir“ in der Freien Presse vorstellte, und bekam die Antwort: „weil ein Freund die gestikulierende Jenny manchmal “Jens” nannte und weil dieses “dumm aus der Wäsche gucken” ihr passend erschien – wie auch das Spiel mit diesem “Mann-Frau-Ding”, wie sie sagt.“ Ihr Leben bezeichnet sie mit einem Augenzwinkern als Bohème. “Kunst – das ist eine Lebenseinstellung. Sie stabilisiert mein Leben. Ich geb’ etwas, und ich krieg’ was zurück. Wenn ich das nicht mache, geh ich ein.” So zitierte sie Matthias Zwarg. Jetzt sagt sie auch: „Mal gucken, was wird, wenn ich dreißig bin“.

Beziehung zum Sonnenberg?

Blick in die Räume. Foto: Eckart Roßberg

Sie arbeitet im Stadtteil und wohnt inzwischen auch dort, „in einer kleinen gedämmten Wohnung, ganz spießig“. Aber zuerst war der Sonnenberg fürsie fremdes Land. Im Sommer 2018 holte der damalige Stadtteilmanager René Bzdok sie mit „Baumarkt“ zu einem Auftritt auf den Lessingplatz. Sie erinnert sich an die anderen Acts, „einen Opa mit Gitarre, eine singende Familie – ein kauziger Stadtteil!“ Danach war danach zum Beispiel bei Performances auf dem südlichen Sonnenberg beteiligt.

Eindrucksvolle akustische Kostprobe beim Interview. Foto: Eckart-Roßberg

Sie traf auch Osmar Osten auf dem Lessingplatz, für dessen Ausstellungen und Lesungen sie öfters ihre Musik beisteuert – das nächste Mal am 6. März um 18 Uhr im Museum Gunzenhauser.

Wie sieht es im Atelier aus?
Hier in den zwei Räumen oben im Lokomov hatten wir schon 2018 Musiker rund um die Band Kokoro besucht. Später teilten Jenny und zwei andere Künstler die Räume, die sie seit deren Webzug im letzten Herbst allein nutzt. Dass „Räum auf“ in großen Bleistift-Lettern an der Wand steht, soll noch aus der Zeit ihrer Vorgänger stammen, meint Jenny. Wer kann die Musikinstrumente zählen, die herumliegen und -hängen? Akkordeon, Keyboard, Schlagzeug, Bongos, Gitarren, akustisch und elektronisch. Mikro, Kabel, Tontechnik, der Fisch Gaby. Vorne ist der „Konferenz- und Treffraum, um Leute einzuladen, einen gemütlichen Abend zu verbringen“, so Jenny Kretzschmar. Da sind mehr Sofas. Als Wandschmuck ein kleiner Roller, eine Zeichnung von Osmar Osten und vieles mehr. Bilder von Laurin Erdmann stehen an der Wand, mit dem Jens Ausderwäsche in der Galerie Hinten 2023 eine Ausstellung hatte (Sonnenberger 3/2023). Und ein großer Wäschekorb mit Leergut.

Welche Kunst gibt es?
Die nächsten Konzerte des Jahres sind für Oberhausen im Rheinland und Berlin geplant. Gerade war sie in Annaberg. Zitieren wir noch einmal Matthias Zwargs Artikel: „Kretzschmar ist eine kluge Beobachterin. Sie singt, wie Osmar Osten malt – befragt Alltagsfloskeln auf ihren wirklichen Gehalt und das Lebensbild dahinter. Das klingt manchmal nach Spaß und Nonsens, offenbart aber eine kritische und auch selbstkritische Haltung ohne erhobenen Zeigefinger. Wenn sie etwa in der “Einführung in die Materie” vom “beschissnen Luxus für jeden” singt oder auf der “Iso-Wippe” feststellt: “Wenn die Wippe oben ist, ist der Boden unten”. “Über die Texte mache ich mir mehr Gedanken als über die Musik. Die Musik trägt eine Stimmung, die Worte dazu sind sozusagen auf der Spitze, schon sehr bedacht.”

Und die Worte finden ein Echo: Jenny erzählt von einer Frau um die sechzig, der sie auf einer Bank der Klage zuhörte, wie schrecklich einsam sie sei. Als sie das in einem Lied verarbeitet hatte und kürzlich bei einem Konzert vortrug, sah sie auf einmal eine andere Frau, seit zehn Jahren vom Sehen bekannt, die immer bei gratis Musik-Events im Inspire am Brühl dabei war. Sie weinte. Auch Jens AusderWäsche wurden die Augen feucht, und ihr kam für einen Moment ihr „musikalisches Bauchgefühl“ abhanden, auf das sie als Musikerin ohne Notenkenntnisse besonders angewiesen ist

Jens AusderWäsche als Teil der Bank im Stück „Superbusen“ auf der Bühne des Wirkbau, der Spielstätte des Schauspielhauses. Im April gibt es weitere Aufführungen. Foto: Schauspielhaus Chemnitz Nasser Hashemi

Ihre Begabungen und beharrliche Arbeit bringt sie an weiteren Stellen ein. Etwa bei Radio T als Redakteurin vor allem für die Sendung „Soundplash“, die etwa zwölf mal im Jahr einen Überblick über musikalische Neuerscheinungen gibt. Und seit 2022 im Stück „Superbusen“ des Chemnitzer Schauspielhauses, was bald wieder am 4. 19. und 20. April aufgeführt werden wird. Es basiert auf einem Poproman von Paula Irmschler über eine junge Frau, die in Chemnitz mit Freundinnen ihren Aufbruch erlebt. Passt!

Hier das Label mit Tonaufnahmen https://roe13recs.bandcamp.com/
Und hier unter anderem Radiosendungen https://hearthis.at/jens-ausderwasche/

Katharina Weyandt