2012 spazierte Katja Manz mit Susanne Heydenreich durch das Viertel. Drei Sommer später ist sie immer noch fasziniert und zeigt zum Beispiel gern die Bazillenröhre. Vorgestellt in der Reihe “Lieblingsplätze” in der Imagekampagne der Stadt Chemnitz.

Ein Spaziergang mit Katja Manz
Katja Manz ist Sozialgeographin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Europäische Studien der Technischen Universität Chemnitz und, nicht zuletzt, seit einiger Zeit auch überzeugte Sonnenbergerin.
Bei ihren Promotionsvorhaben arbeitet Katja Manz mit Methoden aus der Spaziergangsforschung. Sie lässt sich von Chemnitzern durch Chemnitz führen, geht die täglichen Wege, besichtigt die persönlichen Orte und hört sich die dazu gehörigen Geschichten an. So entsteht ein ganz neuer Blick auf die Stadt, die Entstehung von Identitäten und Bindungen wird nachvollziehbar.
Für unser Interview haben wir es ganz ähnlich gemacht: wir treffen uns an der Markuskirche und lassen uns von da aus durch den Stadtteil treiben. Katja führt und erklärt, welche Orte sie ganz besonders mag.
Zuerst geht es nach Westen in die Umgebung der Hainstraße. Das Ziel ist Katjas Hinterhof. Der ist weit davon entfernt, eine grüne Oase im herkömmlichen Sinne zu sein, und trotzdem ist er mit seiner Kombination aus sanierten und unsanierten Gebäuden, mit dem Sammelsurium von Mülltonnen, Fahrrädern und wild wuchernder Vegetation ein ganz typisches Stück Sonnenberg. Hier ist man abgeschirmt vom Straßenverkehr. Als Katja hier einzog, waren nur 4 der 18 Wohnungen belegt und sie hatte den Hof fast für sich. Mittlerweile ist das Haus vollständig bewohnt und es ist nicht mehr so ruhig. Die eng beieinander liegenden Balkons laden zum nachbarschaftlichen Austausch ein, der lautstark und langanhaltend geführt wird. Was anders ist als früher, aber nicht schlechter.
Wir gehen weiter zum Lessingplatz. Ganz gefährliches Gebiet, so wurde Katja schon vor ihrem Umzug nach Chemnitz gewarnt. Überall Spritzen. Die sehen wir auch heute wieder nicht, statt dessen viele spielende Kinder. Die sind immer hier, erklärt Katja. Wir laufen unter den großen grünen Bäumen hindurch in die Johann-Sebastian-Bach-Straße. Ein faszinierender Ort. Einerseits der Verfall fast einer ganzen Straßenfront, andererseits die Farbtupfer an jedem Ende. Zum Lessingplatz hin das frisch sanierte und mittlerweile weitgehend vermietete Haus in Orange und Gelb, auf der anderen Seite die neuen Graffities in der Zietenstraße. Dazwischen das Grau. Genau diese Gegensätze machen den Sonnenberg so anziehend für Katja, die nach ihrem Studium im gutbürgerlichen, etwas betulichen Tübingen gerade das Unfertige, sich Wandelnde am Sonnenberg zu schätzen weiß.
Über die Zietenstraße geht es weiter in die Würzburger Straße. Eine ganz andere Welt. Straßenbäume, Vorgärten, Erkerfronten. Und als Höhepunkt die Löwen, die eines der Portale bewachen. Auch sehr schön, gerade im Kontrast zu den Gebieten, die wir bis jetzt durchwandert haben, aber vielleicht auch schon wieder ein bisschen zu gutbürgerlich. Am di Franco vorbei geht es Richtung Dresdner Straße. Die wenigen Kneipen, die es gibt, sind dafür umso besser, findet Katja, und das di Franco ist einer ihrer regelmäßigen Anlaufstellen.
Eine weitere Spezialität des Sonnenbergs, und sehr passend zum hier allgegenwärtigen Wechselspiel zwischen Vergangenheit und Gegenwart, sind die vielen A&Vs. Wir besuchen einen großen Laden in der Dresdner Straße und stöbern uns durchs gut sortierte Angebot. Ein weiterer Vorteil von Chemnitz: es gibt noch echte Schnäppchen zu machen, im Gegensatz etwa zu Berlin.
Zum Schluss besuchen wir noch einen ganz speziellen Ort, bzw. besichtigen ihn vom Zaun aus: der kleine Park hinter der alten Villa Ecke Dresdner- und Gießerstraße. Hier haben Ordensfrauen ihr Quartier genommen, und im Garten verstecken sich Madonnenstatuen unter den großen Bäumen. Ein Ort, der fast ein bisschen aus der Zeit gefallen zu sein scheint.
Wir bedanken uns bei Katja Manz für diese Einblicke in einen Stadtteil, der reich ist an Facetten und unerzählten Geschichten und viele verborgene, idyllische und geheimnisvolle Orte bereithält. Die aber nur derjenige entdeckt, der sich in der angemessenen Geschwindigkeit nähert, nämlich zu Fuß. Deswegen, liebe Leser: aussteigen, laufen, entdecken!
Du siehst was, was ich nicht seh….: Mehr zu Katja Manz‘ Arbeit erfahren Sie unter www.urbane-erkundungen.de