Das Kunstgespräch traf sich diesmal bei einem Fotografen in der Glockenstraße. Mit so einem Termin in jedem Vierteljahr wird für die Serie „Künstler auf dem Sonnenberg“ in der Stadtteilzeitung recherchiert. Und weil diese Besuche so spannend sind, kann jede/r mitgehen. Hier vorab der Bericht:

Farkas vor seinem LaptopWer?

Mezökövese, eine ungarische Kleinstadt bei Eger, 140 Kilometer östlich von Budapest. Der kleine Laszlo ist begabt und gut in der Schule. Die Mutter träumt davon, dass er einst nicht als Arbeiter wie die Eltern, sonder als Ingenieur in die Fabrik geht. Doch ihr Sohn interessiert sich für Kunst, besucht die Bibliothek. Eine Idee für einen anderen Beruf hat niemand, also macht der 14-jährige Abitur mit praktischer Ausbildung im Drehen, Fräsen, Zerspanen. „Mit 16 hatte ich ein kreatives Erlebnis, ab da wollte ich Fotograf werden“, erzählt Farkas. Um diesem Ziel irgendwie näher zu kommen, meldet er sich nach dem Abitur für einen dreijährigen DDR-Aufenthalt, wie es zwischen 1967 und 1980 möglich war. „Da könnte ich die Sprache lernen, da gibt es die berühmten Practika-Kameras, hübsche Mädchen und zudem in Leipzig die einzige Hochschule, wo man Fotografie studieren konnte“, zählt er die Vorzüge auf.

Beziehung zum Sonnenberg?

Er kam nach Chemnitz, arbeitete im VEB Spinnereimaschinenbau. Bald zog er aus dem „Paprikaturm“ genannten Heim der ungarischen Arbeiter zu einem dieser hübschen deutschen Mädchen. Ein Zimmer, eine Küche am Körnerplatz, so wurde der Sonnenberg sein Zuhause. Schnell fand er Anschluss an die kleine Fotografenszene. Dann rief die ungarische Armee zum Dienst. Anschließend fotografierte er noch ein paar Monate für die staatliche ungarische Nachrichtenagentur. 1984 zog er endgültig zu seiner zukünftigen Frau nach Karl-Marx-Stadt. Er wollte eigentlich studieren und bewarb sich zum Broterwerb als Theatermaler, wurde jedoch zu seiner Überraschung sofort als Theaterfotograf eingestellt. 1987 bis 1990 konnte er im Fernstudium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig bei Professor Arno Fischer lernen.

1998 wurde er im Theater entlassen, weil er nach 15 Jahren im öffentlichen Dienst quasi unkündbar geworden wäre, erzählt er. Und so verwirklichte er seinen Wunsch, freischaffend zu arbeiten und bezog in einem Hof gegenüber vom alten Europa-Kino einen Atelierraum. Auch seine Wohnung hat er inzwischen ins Vorderhaus an der Glockenstraße verlegt, mit Büro und Dunkelkammer – „Rumpelkammer“, nennt er sie, denn analog fotografiert er praktisch nicht mehr. „Viele meiner Freunde, Künstler und Schauspieler wohnen auf dem Kaßberg, trotzdem habe ich keine große Sehnsucht, dorthin zu ziehen. Ich fühle mich hier wohl, auch wenn es nicht ein wie Kreuzberg oder das Hamburger Schanzenviertel wurde.“ Er schätzt die zentrale Lage, interessiert sich für die Nachbarschaft.

Wie sieht es im Atelier aus?

Im Hof singt eine Amsel. Ein Schild wirbt für Kunststofffenster, die hier verkauft und im Erdgeschoss auch eingebaut wurden. Sonst scheint im Kontrast zum stilvoll sanierten Vorderhaus die Zeit stehen geblieben. Laszlo Farkas nutzt einen etwa vierzig Quadratmeter großen Raum für Fotosessions und zum Aufbewahren von Material und Sammelstücken. Für die Gäste hat er an das Gestell, wo sonst die verschiedenfarbigen Hintergründe angebracht werden, lebensgroße Fotos aus dem Theater aufgehängt: eine Ausstellung parallel zu einer Hamlet-Inszenierung Mitte der 90-er Jahre. An der Wand das Plakat zur Ankündigung der Dreigroschenoper, das erste Stück, das er hier fotografiert hatte. Ein brauner Teppichboden, etwas duster, aber die Fotos entstehen sowieso mit Kunstlicht. Ringsum Regale, ordentlich eingeräumt, von Zeitschriften über Zubehör, etwa neun Fotokoffer, bis zu einem ganzen Fach voll gläserner Teekannen. „Ja, ich bin ein Sammler“, gesteht Farkas. Auch die weißen Kunststoffstühle und der Tisch sind Designerstücke. Er interessiert sich für vieles, beobachtet und erzählt. Frank Castorf, Michael Thalheimer, Hasko Weber, Corinna Harfouch – nicht nur in Fotos, sondern auch mit Worten lässt er die Theaterwelt aufleben.

Welche Kunst gibt es?

Auf einem längs gestellten Bildschirm seines Laptops lässt er eine Serie Portraits zur Bewerbung an Bühnen durchlaufen. Eine junge Schauspielerin, mal ernst, mal fröhlich, zornig oder lustig, sehnsuchtsvoll oder aufgeregt. Seine Aufgabe ist es, in ein, zwei Stunden eine solche Ausdrucksfülle zu wecken und perfekt abzulichten. Das gelänge ihm, erklärt er, wie bei einem Regisseur, indem er, unterstützt von passender Musik, die Gefühle weckt, die sie darstellen. „Und dann habe ich mal für eine Aktiengesellschaft fotografiert und gedacht: Die sind langweilig, aber nein – die Leute sind auch interessant.“

Ein oft reproduzierter Schatz sind seine Aufnahmen des 7. Oktober 1989, als die erste Demonstration der friedlichen Revolution in Chemnitz spontan nach einem Tag der Offenen Tür des Theaters im Luxor startete. Er war mit der Kamera dabei und begann sofort, den Zug zu fotografieren.

Heute hätten die Fotografen Konkurrenz, weiß er. Wenn er etwa eine Veranstaltung des „Fresstheaters“ fotografiert, bei dem er inzwischen sogar eine Rolle als Schauspieler übernommen hat, und zu Hause die Bilder bearbeitet, dann hätten „die Mädels bei Facebook schon ihre Fotos eingestellt. Zwar verwackelt, aber die üben und werden besser.“ Er blickt gespannt in die Zukunft: „Handyfotos werden die Ästhetik verändern. Wo geht die Reise hin?“