Noctulus lädt ein zu Halloweenpartys, die ganze Woche lang rund um den 31. Oktober. Der Straßenmusiker, den der Stadtstreicher schon vor zwei Jahren als „Kult“ und „nicht mehr aus Chemnitz wegzudenken“ bezeichnete, hat dazu eine neue Kunstfabrik auf dem Sonnenberg eröffnet, und zwar in der alten Leistnerfabrik. Noctulus und SvenjaSie ist leicht zu finden am Ende der Tschaikowskistraße, wo sie kurz vor den Bunten Gärten die Jakobusstraße kreuzt. 400 Arbeiter fertigten hier um die Jahrhundertwende unter anderem Kücheneinrichtungen. Nach Kriegszerstörungen und Umbauten ist von der alten Architektur nicht mehr viel zu sehen. Um so überraschender ist der Eindruck, wenn man im mittleren Gebäude, wo abends schummriges Licht durch die Fenster dringt, die Treppe zu den Clubräumen erklimmt.

Zwei Hallen übereinander sind eingerichtet, ganz unter dem Motto „Schrottkunst“ und „Piratenkunst“. Sie heißen die beiden nicht eingetragen Vereine, welche der „Ritter Noctulus vom Sonnenberg“ mit seinen Mitstreitern gegründet hat.

Kerzen und FriedhofsbildDazu gehört als erstes Svenja, schon immer auf dem Sonnenberg zu Hause. Die „holde transsexuelle Königin“, wie Noctulus sie vorstellt, ist mit ihm zusammen in der Grufti-Szene aktiv. Während Noctulus einen weiten Umhang mit Fransenkragen trägt, „aus einer alten DDR-Couch geschneidert“ und einen mittelalterlichen Ritterhelm aufsetzt, tritt sie ganz in Schwarz auf. Bekannt in der Szene sind sie durch das Wave Gothic Festival in Leipzig. Sie malt seit ihrer Kindheit. „Was du gut kannst, musst du weiterführen“, erklärt sie.

Durch Herrmann, einen anderen Schrottkünstler, waren sie auf die Fabrik aufmerksam geworden, dann kam Robby dazu, der sich um Elektronik, Website und soziale Netzwerke kümmert. Im Sommer haben sie auf dem Hof gemalt und gebaut, dann wurde erst der untere Raum für Gäste hergerichtet und zuletzt mit Blick auf Halloween der obere. „Gestern sah es hRitter Noctulusier noch aus wie auf einer Baustelle. Wir haben Schrott und Dreck rausgeräumt“, erklärt Noctulus.

Nur noch die Wanduhr aus Zeiten der industriellen Montage hängt über dem Szenario, stehen geblieben auf viertel nach eins. Ansonsten ist alles künstlerisch umgestaltet, als Galerie mit Bildern und Installationen.

Und auch die praktischen Einrichtungsgegenstände sind Kunst: das Schlagzeug aus Schrott mit den glockenartig klingenden Gasflaschen, Büchsen, Kanistern, ausgemusterten Becken und Bildern als Front. „Plastic Sound and Metallic Noise“ ist in verschlungener Schrift zu lesen. Der Tresen, an dem Getränke gegen Spende abgegeben werden, ist aus Euro-Paletten gezimmert.

Das UFO, eine alte Abzugshaube von einem PlattenbauUnd das DJ-Pult, an dem die eigenen elektronischen Klänge und Lichtzeichen aus der kleinen gespendeten Laserkanone gemixt werden, stammt aus dem Abfallcontainer des Schauspielhauses. Dazu Sofas und andere Sitzgelegenheiten, also alles da, was zu einem Clubabend fern der Alltagswelt gehört. Hier ist Noctulus seinem Ziel, ein Gesamtkunstwerk aus Schrott und Sperrmüll zu schaffen, einen großen Schritt näher gekommen. Und dankt der „DEW Immobiliengroup Leipzig“, welche die Räume zur Nutzung überlässt. „Die finden uns nett, und wir bewachen dafür das Gebäude“, sagt er.

Zu Halloween versprechen die Schrott- und Piratenkünstler neben Livemusik spezielle Gruselführungen bei Wein und Kerzenschein in der Kunstfabrik: „Wir nutzen hier nur einen Bruchteil der Räume, vielleicht gehen die Keller bis in die dritte Etage hinunter?“ Da entwickelt sich garantiert das echte Halloween-Gefühl, ganz ohne den üblichen Kommerz. Gern gesehen sind kostümierte Gäste, „oder wenigstens fantasievoll geschminkt“, bittet Svenja.

SofaUnd sonst? Noctulus sprudelt vor Ideen. Mittwochs Indie-Abend, Freitags Club mit Ufo-Electronic. Jeden Sonntag ab 16 Uhr alte Kultfilme zeigen wie Sindbad der Seefahrer, bei Kaffee und Kuchen. Im Hof kleine Flohmärkte abhalten. Mit Kindern Mittelalterliches basteln oder malen. Und den ganzen Dezember über einen Mittelalter-Weihnachtsmarkt mit selbstgebackenen Lebkuchen und selbst Gehäkeltem. Am besten schaut man einfach mal hinein in diese ganz andere Welt auf dem Sonnenberg.