Künstler: Professor Karl Clauss Dietel
In der Reihe „Besuch bei Künstlern auf dem Sonnenberg“ stellen wir heute Professor Karl Clauss Dietel vor.
Wer?
Dietel ist prominent. Und seit er als erster Formgestalter aus der DDR im Herbst 2014 den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland für sein Lebenswerk erhalten hat, wird noch einmal mehr über ihn geschrieben, werden Filme gedreht. In Sachsen geboren, studierte er nach einer Ausbildung zum Maschinenschlosser an der Ingenieurschule für Kraftfahrzeugbau in Zwickau und an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee.
Seit 1963 ist er freischaffend in Karl-Marx-Stadt / Chemnitz tätig. Er ist kein einsamer Tüftler: Als Honorarprofessor lehrte er an Burg Giebichenstein, leitete vier Jahre die Fachschule für angewandte Kunst Schneeberg. Als Vizepräsident des Verbands Bildender Künstler trat er 1981 aus Protest gegen Repressalien zurück – um dann in den Wendejahren 1988-1990 als politisch Unbelasteter Präsident des Verbands zu werden und zum Beispiel beim Kulturminister erfolgreich gegen den Abriss der Fassade des Industriemuseums zu intervenieren.
Beziehung zum Sonnenberg?
Heute wohnt und arbeitet er in einem Haus am Zeisigwald, in dem er – in Dachkammern ohne Wasser und Gas – seine Familie gegründet hatte. 1983 konnte er es kaufen. Aber vorher seit 1963 hatte er seine Ateliers auf dem Sonnenberg: Erst im Laden an der Uhlandstraße 25 und dann in einem selbst ausgebauten Pferdestall an der Schüffnerstraße. Trotz Protesten wurde die Häuser an der Schüffnerstraße zu Gunsten der Plattenbauten abgerissen.
Dietel pflegte intensive Kontakte zu Künstlerkollegen. So viele wohnen auf dem Sonnenberg, fiel ihm auf, und er regte an, sie in dieser Reihe vorzustellen. Denn der Stadtteil hat in ihm einen treuen Freund, der sich einsetzt. Seine Vorschläge zur Neugestaltung der „Bazillenröhre“ liegen mit anderen Anregungen der Bürger bei der Stadtverwaltung, und er wird mit dafür sorgen, dass sie nicht vergessen werden. „Ich zweifle nicht an der Zukunft des Sonnenberg“, betont er.
Wie sieht es im Atelier aus?
Viele grau metallene Hängeregistraturschränke und Regale, klassische Holz-Rollschränke, ein großer Tisch, unterschiedliche Stühle, manches gebraucht gekauft. Seine Modelle aus Gips und Holz etwa von einem Multifunktionstelefon sind zu sehen. „Hier ist der legendäre Kugellautsprecher. Da das Radio RK 88 benutze ich täglich. Und das hier war das erste Digitalradio der DDR“, zeigt er seine Entwürfe
Neben dem großen Tisch steht ein Modellierständer, eine dicke Holzplatte in Arbeitshöhe, auf der er gerade einen Entwurf in Plastillin entwickelt. „Ein Gerät für einen Gartenhersteller aus dem Erzgebirge“, mehr verrät er nicht. Neben dem Fenster hängt die Urkunde des Designpreises im Wechselrahmen.
Ein großes Reißbrett dient als Pinwand, nicht nur für Entwürfe und Ausstellungsplakate, sondern auch für einen Spiegel-Titel „Der verheizte Planet“. „Wenn alle Erdbewohner so leben wie wir, brauchen wir mindestens drei Planeten“, erklärt er und hofft auf die ökologische Gegenbewegung, die sich etwa in Solar-Energie, in Repair-Cafés und dem Trend zu Carsharing zeige.
Welche Kunst gibt es?
Die von Dietel gestalteten Formen stehen in Sammlungen wie der Pinakothek der Moderne München, im Haus der Geschichte Bonn und natürlich im gerade wieder neu eröffneten Industriemuseum Chemnitz. Und sie sind oder waren in Millionen Haushalten und Werkshallen zu finden: Heliradio, Mokick, Robotron, Erika sind bekannte Marken.
Genau so intensiv erinnert er sich an die sieben neuen Trabi-Modelle, die nicht gebaut wurden – bis dann der Trabi in der alten Form mit einem VW-Viertakt-Motor als „Mumie mit Herzschrittmacher“, wie der Volksmund sagte, keine Chance mehr hatte.
Doch auch in der Architektur und Farbgestaltung hat er Bleibendes geschaffen, etwa an der Oper, der Schmidtbank-Passage, an den Bethanien-Kliniken. Ja, nach der Wende habe sich VW seine Modelle nicht einmal richtig angeschaut, erzählt er. Aber Existenzgründer kamen in Gestaltungsfragen auf ihn zu. Einer für Lasertechnik „gehört heute zu den Weltmarktführern“, bemerkt Dietel stolz: „Hässlichkeit verkauft sich schlecht.“
Vielleicht für die Geschichte noch wichtiger als die konkreten Objekte sind seine Begriffe und Lehren zur Gestaltung. Das Wort „Design“ lehnt er ab. Er verbindet damit das Marketing, das moralische vor das materielle Nutzungsende zu setzen – ein Gerät wie Kleider neu zu kaufen, weil es unmodern aussieht. Nein, Dinge sollten die „fünf großen L“ erfüllen, wie er es in einem Buch beschrieben hat: langlebig, leicht, lütt, lebensfreundlich (ökologisch) und leise.
Katharina Weyandt
Nächstes Kunstgespräch
Als nächstes besuchen wir die Künstlerin Irini Mavromatidou am Mittwoch, 2. September 2015, 19 Uhr in der Zietenstraße 9.
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