Der Geograph Frank Feuerbach hat in seiner Dissertation Chemnitz und Akron im Nordosten des US-Bundesstaats Ohio verglichen. Thema der Arbeit an der Leipziger Fakultät für Geowissenschaften war die „Stadt- und Quartiersentwicklung unter Schrumpfungsbedingungen in Deutschland und den USA“. Katharina Weyandt fragte:
Wie kamen Sie auf Chemnitz und den Sonnenberg?

Für ein so langwieriges Vorhaben wie der Dissertation fand ich es wichtig ein Thema zu haben, bei dem ich Herzblut investieren konnte. Die Wahl fiel also leicht, mich meiner Heimatstadt Chemnitz zu widmen. Kern meiner Arbeit war, wie Schrumpfung– also der Einwohnerrückgang und die Schließung vieler Industriebetriebe – in Chemnitz wirkt.

Ich wollte wissen, welche Rezepte sich Stadtplaner für schrumpfende Wohnviertel in Chemnitz ausdachten und vor allem, wer dabei tätig werden sollte.

Allgemein wird beim Umgang mit Schrumpfung immer die Belebung der Innenstadt und der angrenzenden Wohnviertel gefordert. Interessanterweise sind es oft die alten Arbeiterquartiere, die dadurch in den Fokus geraten, wo aber gleichzeitig soziale und bauliche Probleme den Alltag dominieren. So ist es auch beim Sonnenberg und dem Brühl – meinen Untersuchungsgebieten in Chemnitz.

 

Was sind spannende Vergleichspunkte speziell für den Sonnenberg?

Chemnitz und Akron sind zwei tolle Beispiele für städtisches Wachstum im Zuge der Industrialisierung. In Chemnitz war es die Textil- und Maschinenindustrie, später auch der Automobilbau. In Akron waren es maßgeblich Reifenhersteller wie Goodyear oder Firestone.

Seit wenigen Jahrzehnten erfuhren beide Städte eine Verlagerung von Industriebetrieben in andere Regionen und den Wandel der städtischen Wirtschaft. In Akron setzte diese Deindustrialisierung und der Fortzug vieler Bürger schon in den 1960ern ein, in Chemnitz mit der politischen Wende 1989.

Dies ist die Ursache für die Schrumpfung, wie wir sie auch auf dem Sonnenberg kennen. Unsere Partnerstadt Akron in Ohio hat auch solche Sonnenberge. Das alte Arbeiterviertel „Summit Lake“ ist so eins, wo leerstehende Fabriken, pflegebedürftige Häuser und Brachflächen das Bild vieler Ecken bestimmen. Die Mieten zählen zu den niedrigsten in der Stadt und soziale Probleme verschärften sich nach dem Fortzug vieler Bewohner in andere Städte oder ins Umland. Viele meiner Gesprächspartner in Akron und auch in Chemnitz nahmen ihre Quartiere als abgehängt von der Entwicklung der restlichen Stadt wahr und versuchten, dem etwas entgegen zu setzen.

Kurz gesagt, es gibt ganz viele Vergleichspunkte: angefangen von der historischen Entstehung als Arbeiterviertel, der Art der baulichen und sozialen Problemlagen bis zu den vielen Bürgergruppen und Vereinen, die versuchen, „von unten“ die Quartiere zu gestalten.

Welche praktischen Ideen ergaben sich aus der Arbeit an der Dissertation?

Das ist für einen Geisteswissenschaftler eine schwierige Frage! Ich wollte Planern oder Interessensgruppen keinen neuen Masterplan für die möglichst beste Revitalisierung, Wiederbelebung oder wie auch immer geben.

Ziel war es, Unterschiede aber vor allem Gemeinsamkeiten bei der Entwicklung der Städte und ihrer „Problemquartiere“ herauszuarbeiten.

Wenn es um die Entwicklung eines Quartiers wie dem Sonnenberg geht, ist es meiner Meinung nach wichtig, klar zu machen, was im Vordergrund stehen soll. Ist es der Erhalt der Bausubstanz, dann sind Eigentümerstammtische und Fördermittel für die Sanierung ein wichtiger Ansatz.

Soll das Viertel neues Flair bekommen, um für die Stadt als Ganze zur Adresse der Selbstverwirklichung neuer Zuzügler zu werden, sind Zwischennutzungen, Abwarten und Geschehenlassen gefragt.

Soll Armut und Perspektivlosigkeit bekämpft werden, helfen meiner Meinung nur Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche und die Möglichkeit, sich sinnvoll einzubringen. – Die gezielte Entwicklung von geschrumpften Quartieren wie dem Sonnenberg verfolgt in der Regel all diese Ziele mehr oder weniger gleichzeitig – nicht ohne Konflikte zwischen den einzelnen Interessensgruppen oder Probleme beim Definieren von Prioritäten.

Daher halte ich es für essenziell, diese „großen Pläne“ mit den Bürgern vor Ort gemeinsam zu denken und umzusetzen. Die Befähigung dazu und das bürgerschaftliche Engagement der Einzelnen ist daher eine wichtige Forderung.