1. Fronleichnamszug und 6. Seifenkistenrennen
Am Sonntag des Seifenkistenrennens „Sonnenberg rollt“ wird gleichzeitig groß auf dem Sonnenberg der Feiertag Fronleichnam begangen.
Fronleichnam ist ein hoher katholischer Feiertag. Die Gemeinden ziehen in einem festlichen Umzug durch die Straßen und tragen besondere Kreuze mit sich. In Chemnitz soll erstmals ein gemeinsamer Umzug aller Katholiken der Stadt durch den Sonnenberg gefeiert werden. Er führt am Sonntag nach Fronleichnam am 18. Juni von der Markus- bis zur Josephskirche. Es beginnt um 10 Uhr mit einem Gottesdienst in der Markuskirche, die dafür von der evangelischen Gemeinde zur Verfügung gestellt wird. An der Kita Schatzkiste und dem Don Bosco-Haus wird Halt gemacht, gesungen und gebetet.
Ende ist in St. Joseph. Gegen 12 Uhr beginnt ein Straßenfest rund um die Kirche und das Don Bosco-Haus mit Mittagessen und vielen Angeboten.
Nach dem Essen gegen 13.30 Uhr startet dort das Seifenkistenrennen.
Einige Gedanken zu Fronleichnam vom ehemaligen Pfarrer von St. Joseph Paschke im gemeinsamen Gemeindebrief der katholischen Gemeinden.
Warum ist das Fronleichamsfest 2017 so eine besondere Premiere?
In den vergangenen Jahren wurde Fronleichnam am eigentlichen Tag, in diesem Jahr dem 15.6., abends in der Petrikirche gefeiert. Ein kleiner Umzug führte rund um den Platz vor der Oper. Davor waren die Katholiken in der Schloßkirche zu Gast.
In einigen Jahren nach dem 2. Weltkrieg wurde das Stadion für diese Feier genutzt, weiß die Geschichtsexpertin Petra Paus – also quasi hinter verschlossenen Türen!
In der DDR waren öffentliche Glaubensbekundungen sowieso verpönt. ((Der Satz weckt einen falschen Eindruck, s. der Kommentar von Stephan Gottwald.))
Wie es in früheren Jahren war, ist nicht bekannt. Petra Paus bezweifelt, dass es nach Beginn der Reformation überhaupt in Chemnitz öffentliche Fronleichnamsfeiern gab.
So ist das Jubiläumsjahr „500 Jahre Reformation“ ein guter Zeitpunkt, in ökumenischer Mithilfe und
öffentlich eine katholische Tradition lebendig werden zu lassen.
„Wie war das“ -dabei geht es ja nicht um Nostalgie. Es geht darum, wie ein „Mikrokosmos“ wie der Sonneberg funktionierte. Viele Schulkinder z.B. besserten ihr Taschengeld dadurch auf, dass sie alten Menschen die leidigen Kohleeimer aus dem Keller in die Wohnung schleppten. Meist gab es 30-Pfennige pro Eimer. Die rechneten und warteten auf uns. So lernten wir, kleine Pflichten zu erfüllen, dass man sich etwas zum Taschengeld dazuverdienen kann und -viel wichtiger – wir saßen eine halbe Stunde bei Kakao und Butterbrötchen, während die Alten von früher und aus ihrer Jugendzeit, oftmals ihre gesamte Lebensgeschichte erzählten. Und so waren die Alten eben nicht nur irgendwelche Alte, sondern die Oma Schneider oder der Opa Meier. Und die haben meist genau gemerkt, wenn mit uns etwas nicht stimmte, wenn wir mal wieder Bockmist gebaut haben. Da gab es dann auch mal eine Ansage und Tipps, wie man das wieder ausbügeln kann. Kein Schuleintrag oder Schultadel hatte auch nur annähernd diesen erzieherischen Effekt wie ein ordentlicher Rüffel von eben diesen „Omas“ und „Opas“.
„In der DDR waren öffentliche Glaubensbekundungen sowieso verpönt.“ Der Satz stimmt, wenn damit die „Genossen“ gemeint waren. Das betraf auch die Sternsingeraktionen….wir fuhren damals in Königsgewändern mit der Straßenbahn nach Hilbersdorf, in das Yorckgebiet oder das Beimlergebiet, gingen zu Fuß zu den Gemeindemitgliedern über den Sonnenberg.Und viele mitfahrende -vor allem ältere -Bürger steckten nicht allzukleine Geldbeträge in die Sammelbüchsen, die damals dem Hilfswerk „Not in der Welt“ zugute kamen. Wir empfanden das durchaus als Zuspruch. Weihrauch und Segen in der Straßenbahn – das gab es gelegentlich. Zeigen, was wir haben und tun- das hat in gewisser Weise auch mit Fronleichnam zu tun. Die Umherkutscherei mit Autos kam erst nach der friedlichen Revolution. Lediglich nach Adelsberg und Auerswalde fuhren wir mit dem Gemeinde- Barkas, den gelegentlich auch ein kettenrauchender Pfarrer Staeger in Jeansanzug und Baskenmütze recht rasant steuerte.
Vielleicht sind solche kurzen Erlebnisberichte ein Anlass, eine Rubrik einzurichten, die sich mit dem Thema „Wie war Das?“ einzurichten und damit konkrete Themen zu verbinden. „Abenteuer Zinkbadewanne“, „Einkellerkartoffeln“ ,“Die Kohlenlieferung“ oder „Wie empfange ich Westfernsehen“ könnten ja Einstiegsthemen sein.
Ich freue mich auch immer über „wie war das“- Erlebnisse. Das Leben vor 30 oder 50 Jahren scheint so weit weg zu sein.
Die Anregung dieser Rubrik setzte ich direkt um, indem ich den Beitrag der Rubrik Stadtteilgeschichte zufüge.
Übrigens, wer will, kann selbst als Autor nicht nur kommentieren, sondern eigene Beiträge verfassen. Kurze E-Mail an redaktion@sonnenberg-chemnitz.de genügt.
Vielen Dank für die wertvolle Korrektur und den interessanten Bericht! Ich gebe zu, der Satz war bloß eine Mutmaßung. Andere haben schon ähnlich reagiert, die das miterlebt hatten.
Fronleichnam und DDR in Chemnitz:
Als ich ein Kind war (zu DDR-Zeiten), gab es in Chemnitz jedes Jahr sehr wohl öffentliche Fronleichnamsprozessionen. Diese fanden im Küchwald auf einer Wiese an der Sechserschlucht statt. Freitags kam der Möbelwagen der Firma Emil Friedmann und alles . was dazu gebraucht wurde -(Altarpodeste, Zeltüberdachung, Altartische für 3 Prozessionssstaionen und alles andere, was gebraucht wurde, kam auf den LKW. Samstag um 8 Uhr wurde alles in den Küchwald gefahren und von Mitgliedern der Gemeinden aufgebaut. Körperlich schwere Arbeiten erledigten die Männer und Jugendlichen, Frauen und Mädchen sorgten für den Altarschmuck und belegte Brötchen. Kinder-und Erwachsenenchöre probten und Ministranten übten die Abläufe ein. Und eigentlich immer waren die Bischöfe Spülbeck,,Schaffran oder reinelt dabei und leiteten den Gottesdienst um 14:00 Uhr, zu dem gelegentlich der evangelische Posaunenchor die Lieder begleitete. Ausdrücköich war auf dem Programmflyer vermerkt, dass der Gottesdienst bei jedem Wetter stattfindet. Und so jedes 3. Mal war wirklich Mistwetter. Die Leute kamen trotzdem zu Hunderten. Sicher gab es immer mal wieder Versuche von 1000%-igen Genossen, die Sache zu erschweren oder zu verhindern. Mit dem damaligen OB Müller (SED) , der das soziale Engagement der Chemnitzer Katholiken achtete, gab es zumindest jemanden, der uns gewähren lies. Unter ihm kamen auch die Mutter-Teresa-Schwestern nach Chemnitz. Ausdrücklich befürwortet hat er wohl Beides nicht, aber eben auch keine Steine in den Weg gelegt. Das waren dann andere der „Genossen“, wie sie Pfarrer Norbert Staeger mit leichtem Zynismus , der ein unausgesprochenes „Ihr doch nicht, ihr Blindgänger und Tiefflieger“beinhaltete, nannte. Unbegreiflicherweise haben die Chemnitzer katholischen Pfarrer nach der friedlichen Revolution beschlossen, den zentralen Fronleichnamsgottesdienst aus dem öffentlichem Raum hinein in die Schlosskirche zu verlegen und nur die sich anschließende Prozession im Park der Jugend daneben abzuhalten. Später dann wollte man in die Mitte der Stadt und wählte die Petrikirche, wo die Prozession in einer Ecke der Petrikirche etwas sehr versteckt im öffentlichen Raum stattfand. Nun kommt sie wieder zurück in eine Herzkammer der Stadt, den Sonnenberg, als kinderreichster Stadtteil. Das Seifenkistenrennen schließt sich an.