In der Reihe „Kunstgespräche“besuchten wir wieder einmal einen Musiker auf dem Sonnenberg.Wer?

Richard Ungethüm (34) ist gelernter KfZ-Mechaniker. Und ein Macher rundum: Schon auf dem Bauernhof der Großeltern hat er etwas gebaut, war im Messebau, leitete ein Fitnesstudio. Jetzt renoviert er 40 Stunden in der Woche Häuser für Lars Fassmann. Bei der Frage nach dem Musiker landen wir in seiner Kindheit, in einer musikalischen Familie in Zwickau. Richard hatte Klavierunterricht vom 5. bis zum 12. Lebensjahr, „aber ich habe nie geübt“, erzählt er. Dann lernte er bis zur 10. Klasse E-Gitarre „bei einem sehr guten Lehrer“. „Und ich war immer noch faul, kannte keine Noten. Das hat der Lehrer nach zwei Jahren gemerkt. Er war sauer, erkannte jedoch mein musikalisches Talent. Ich vergesse viel, aber eine Melodie, die ich einmal gehört habe, sitzt.“ Noch Noten lernen? Richard ist skeptisch: „Theorie kann Türen auftun und andere verschließen.“ Einige Jahre lang präsentierte er dann nur als DJ nur die Musik anderer.

Die Wende zum eigenen Musizieren kam wieder mit der Familie: als seine Tochter geboren wurde. „Ich könnte ihr mit der Akustikgitarre Kinderlieder vorspielen“, so die Idee. Daraus wurde mehr. „Momentan hat die Musik einen sehr großen Stellenwert. Wenn es einen packt, kann man nichts dagegen tun.“

Beziehung zum Sonnenberg?

„Ich bin ein Sonnenberg-Fan“, sagt der Musiker und Bauarbeiter, und bezieht das auch auf seine Arbeit. „Man fördert die gesamte Sache, den Sonnenberg zu beleben. Ich bin Lars und Mandy sehr dankbar, was sie alles machen.“ Er ist Mieter einer selbst ausgebauten Wohnung aus Fassmanns Beständen. Und nach einem Beginn im Bandbüro am Brühl fand er in der Augustusburger Straße 102 einen eigenen Probenraum. Natürlich auch selbst ausgebaut, in nur drei Tagen.

Wie sieht der Probenraum aus?

Vom Teppich auf gedoppeltem Fußboden bis zu den Wänden und Decken, die mit dunklem Malervlies abgehängt sind, dient erst einmal alles der guten Akustik. „Klangtrocken“ sagt Richard,  klatscht als Beispiel in die Hände, es hallt nicht. Boxen, Verstärker, diverse Technik ist da. Gitarren hängen an der Wand. Genauso wichtig sind Tücher, Kissen, ein gelbes Ledersofa. Das einfache Malervlies, von hinten angeleuchtet, zeigt sein textiles Muster, helle Punkte aus einer Lichtanlage flimmern über die Wände. Räucherstäbchen duften. „Ein bisschen schön gemacht“, nennt es Richard. Denn der Raum ist ein Treffpunkt auch für andere Musiker, mit denen er sich die Kosten teilt. Einer hat gratis sein Schlagzeug da stehen und nutzt es, wenn er selten einmal Zeit hat. Andere sind häufig da, treten gemeinsam auf.

Von links: Richard Ungethüm, Christian Nachtwei, Tom Müller

Welche Musik gibt es?

Ende letzten Jahres hat Richard Ungethüm die Band „Kokoro“ mitgegründet. Das ist japanisch für „Herz“. Musik, das sind Gefühle, sagt er: „Die Basis ist Jam, da entsteht eine Dynamik, die man bei festen Titeln nicht kriegt.“

Sein weit gespanntes Projekt ist „Seelenbalsam“: eine regelmäßige Jam-Session unten im Lokomov. „Es gibt so viele gute Musiker in Chemnitz und keiner traut sich raus und connected sich“, da suchte er Abhilfe. Die Beziehungen pflegt er. Im Bandraum wird gemeinsam Zeit verbracht, man fühlt sich wohl, redet, lacht. Bassist Robert Meyer und Gitarrist Matthias Wenzel zählt Richard auf.

Zwei andere Freunde sind gerade da. Und zeigen eine Hörprobe. Christian Nachtwei holt sein Saxophon aus dem Koffer und schließt es an die Elektronik an: „Die Töne kommen direkt aus dem Atem, aus der Seele.“ Tom Müller, Schlagzeuger bei Calleveras, hat Richard gerade erst im Bandbüro kennen gelernt. „Und wir fanden uns gleich super sympathisch und haben zusammen musiziert“, erzählen sie. Richard hängt sich eine Gitarre um, stöpselt die Kabel ein, tastet mit den Zehen zu den Effektpedalen vor ihm auf dem Boden. Tom greift zu den Schlagstöcken. Wie kann man das Gehörte beschreiben? Richard: „Musik besteht aus: Ego zeigen, Ego runterschrauben.“ Tom: „Es ist wie ein Gespräch. Einer sagt etwas, der andere antwortet.“ Und Christian: „Wenn du ein Gefühl ausdrückst und der andere reagiert darauf, da entsteht Nähe, das ist wie Therapie. Hier ist ein Therapieraum“, fasst er zusammen.

Katharina Weyandt

Fotos: Eckart Roßberg