Am 5. Oktober um 19 Uhr wird mit Anna Hentschel und Nenad Popov das letzte Dialogfeld in diesem Jahr eröffnet. Wir trafen die beiden vorab.

Wer?
Beide wurden eingeladenunabhängig voneinander aus Berlin für die Zeit als Artist in Residence auf dem südlichen Sonnenberg.

Anna Hentschel (*1982) kam aus Kiel an die Hochschule der Künste. Direkt nach dem Abitur studierte sie Bühnenbild, wollte „Kunst und Literatur verbinden“. Sie schloss das Studium mit Auszeichnung ab, aber kehrte dann dem Theater den Rücken: „Das war so beengt, ich fand den öffentlichen Raum immer schon spannender“. Auf ihrer Website formuliert sie es so: “Wie schafft man Räume für ein Miteinander, das sich stetig neu verhandelt? Eine Theaterbühne bleibt gleich und ermöglicht doch nacheinander viele verschiedene Bühnenbilder. Genauso bietet städtischer Raum Optionen für viele unterschiedliche Nutzungen. Aber Räume verändern sich, sie werden verkauft oder reglementiert und verlieren die Gestaltungsoptionen für andere als ihre Besitzer. Urbane Szenografien können vorhandene Räume betonen und sichtbar machen. Mit interaktiven und visuellen Spektakeln behaupten sie temporäre Versionen von Stadt und laden ein sich diese gestaltbar zu halten.” Sie hat seit 2011 das Urban Game Design Netzwerk „Invisible Playground“ mit aufgebaut. 2016 arbeitete sie unter anderem in Rotterdam, 2017 in Kyoto.

Nenad Popov (*1978) ist Serbe. Als Kind zeichnen, mit dem ersten Computer Videogames spielen, selbst Grafiken entwerfen, als VJ bei Parties Musik machen, programmieren – und dann die Entscheidung, sich der Kunst zu widmen. Er wollte nicht traditionell Malerei studieren, sondern suchte und fand im Internet einen der wenigen Studiengänge, die mehr als ein Medium einbeziehen: in Den Haag, wo sich das Königliche Konservatorium und die Königliche Kunstakademie zusammengeschlossen hatten. Studiensprache war Englisch. Nach seinem Master in audiovisueller Kunst wechselte er vor vier Jahren nach Berlin, in die Großstadt. Auf seiner Website nennt er sich „media anarchist“.

Beziehung zum Sonnenberg?
Anna Hentschel erinnert der Stadtteil an die Dresdner Neustadt vor 15 Jahren. Popov war als erstes vom großen Potential an Freiflächen überrascht. Es sei ruhig, friedlich hier, meint er. Sie: „Überall Lücken, man sieht den Himmel.“ Für vier Wochen wohnen sie in der Jakobstraße / Ecke Zietenstraße und haben die Aufgabe, unter dem Stichwort „Nacht“ etwas künstlerisch zu gestalten.

Wie sieht es im Atelier aus?
In einem Ausstellungsraum mit großem Schaufenster, in dem noch Adela Jakobans zarte Blechformationen aus der vorherigen Staffel der Dialogfelder von der Decke hängen, hat Anna Hentschel ihre Eindrücke gesammelt und sortiert. Fotos und Worte auf Malerkrepp kleben an der Wand. Häuserecken, hier und dort liegen fünf weiße Kissen auf dem Asphalt. „erlebe die Straßen hier aufgeladen, eher aggressiv“, erklärt sie. „Gedanklich lande ich immer wieder beim Sit-In, auf leise Art Präsenz zeigen.“ Sie erlebte auch Unerwartetes, wie sie im Dunkeln am Netto auf einer Wiese telefonierte und Angst bekam, als sich zwei Jugendliche mit Stöcken näherten: „Und dann sagten die: Wir haben Sie hier schon öfter so allein gesehen, wenn Sie Hilfe brauchen, wir sind da drüben.“
Die grünen Hecken an der Martinstraße – unter dem Namen „Paradies“ vor fünf Jahren als Kunstwerk gestaltet – regen sie an, vielleicht ein Spiel in dem Labyrinth zu gestalten.
Nenad Popov nutzt einen Raum der Künstlerwohnung zum Arbeiten. Ein Türblatt auf dem umgekippten Bettgestell ist der Stehtisch. Ein kleiner Kofferplattenspieler steht darauf, ein Mischpult, aus Berlin mitgebracht, Elektronikstecker, Plastikspäne. Wichtigstes Material sind aber natürliche Töne, Geräusche, die er draußen sammelt und mit selbst gebauten Apparaten hörbar macht. Er zeigt das Prinzip mit einem kleinen Mikrophon, das sein Kratzen an der Platte über den elektronischen Verstärker schallen lässt. Inspiriert von Insekten mit ihren langen Fühlern steckt er gerippte Plastikschläuche, Kabelsammler, in angebohrte Gehörschutz-Ohrmuscheln. Mit einem Trichter am anderen Ende werden Töne verstärkt – wie beim Kinderspiel des Dosentelefons. Einen „Sound Walk“ wird man so erleben können. „Das ist hier komplett neu für mich, keine Bildschirme, natürliche Geräusche“, erklärt er.

Welche Kunst gibt es?
Es sind Vorstellungen, Performances. Die Jakobstraße 42 ist Treffpunkt des Publikums. Gemeinsam mit Anna Hentschel und Nenad Popov kann man dann den Sonnenberg auf ganz besondere Weise erkunden.

Termine:
5.10.18 19 Uhr:
7.10.18 16 Uhr
9.10.18, 17:30 Uhr
11.10.18, 17:30 Uhr, anschließend Finissage

Aus der Einladung zur Vernissage:

NENAD POPOV
„Das Gras ist auf der anderen Seite immer grüner“

Während des Aufenthaltes entwickelte der Künstler einfache mechanische Geräte, die es uns ermöglichen, unsere Umwelt auf eine nicht-menschliche Weise zu hören. Ähnlich den zahlreichen Hörorganen in Insektenkörpern, werden dem Publikum lange Antennen wachsen, die Ohren um Dutzende Meter gestreckt, Körper zu Schwärmen verschmelzen und somit Pflanzen und Beton hörbar. Das Ereignis selbst wird als Soundwalk gestaltet: Der Künstler führt das Publikum durch klanglich interessante Bereiche des Sonnenbergs, wobei die Reihenfolge der Orte eine Komposition bildet.

ANNA HENTSCHEL
„Rufen Sie an, wir klären alles“
Intervention & spielerische mobile Silent Disco

In dem Versuch, Stadt zu lesen werden verbale urbane Textteile und visuelle Botschaften notiert und ernst genommen: Wer spricht hier, zu wem und worüber? Wie verdammt, sage ich meine Meinung zurück und wer hat schon wieder nichts gesagt?
Nachts sind alle Katzen grau – im Freiraum der Nacht vermischen sich Ausdrücke, Aufrufe, Lösungen und Fragen zu konkreter Poesie und am Morgen in Katerstimmung produzieren wir wieder Sinn.