Wer gießt die Bäume? Keine Antwort von Netto
Im dritten zu trockenen Jahr ist der Boden ausgedörrt, trotz einiger Schauer und Regentage. Anwohner engagieren sich für Bäume. Auf Supermarkt-Parkplätzen vertrocknen sie.
Baumpate Eckehard Erben schleppt Kanne um Kanne zum Gießen aus dem 4. Stock an der Heinrich-Schütz-Straße. 2018 fing er mit sechs Bäumen an, 2019 übernahm er sieben, dies Jahr zwölf. Reihum kriegen immer zwei die nötigen 100 Liter. Das Grünflächenamt legte im Mai zum Teil mit Hacken Gießringe um die Stämme an. Straßenbäume sind ein Wirtschaftsfaktor: Einen Baum, der eingeht, nachzupflanzen, kostet etwa 8000 Euro, erfuhr Erben von Gärtnermitarbeitern.
Doch solche private Hilfe reicht nicht. „Im Mai waren von den 153 Straßenbäumen hier 21 deutlich geschädigt, jetzt sind es 31“, hat er gezählt. Das summiert sich auf 240.000 Euro Schaden. „Außerdem fällte letztes Jahr der Orkan große Bäume.“
Immerhin hat der Pizzaservice Freddy Fresh einen Baum vor dem Laden in Pflege übernommen. Ein weiterer direkt davor ist komplett vertrocknet.
Was der kleine Pizzaservice kann, schaffen große Supermärkte nicht: Anwohner Stephan Weingart beobachtete mit Sorge die Kastanien auf dem Netto-Parkplatz an der Heinrich-Schütz-Straße. Schon als es noch ein EDEKA war, zeigten sich Schäden. Er schrieb an den Konzern, denn „die Kassiererinnen können nichts tun“, betonte er. „Aber die Netto-Zentrale hat mir nur Anfang Juni geantwortet, sie werde das an den Vermieter geben. Passiert ist nichts.“
Auch auf dem großen Lidl-Parkplatz zwischen Hainstraße und Dresdner Straße zeigen sich Schäden an den Bäumen, die doch eigentlich einmal für Schatten sorgen sollten. Und für den Wasserhaushalt und zur Umwandlung des CO2 benötigt werden.
Erben und Weingart bemängeln beide das zu häufige Mähen in der Hitze. „Hier stoppte vor drei Tagen die Firma das Mähen – man sieht deutlich den Unterschied zwischen sattgrün mit ein paar Blumen und gelbgrün mit kahlen braunen Stellen“, zeigt Erben.
„Das ist ein Problem der ganzen Stadt, das müsste mit Satzungen und anderen Verträgen mit Pflegefirmen geregelt werden“, fordert auch Stephan Weingart.
Ich habe mir mal die Antwort der Stadt zur Anfrage durchgelesen. Hmm, erste Antwort: die Bäume beim Netto sind noch gut, aha. Zweite Antwort: niemand kann wirklich gezwungen werden, Bäume zu pflanzen und zu pflegen, weil es nicht im Bebauungsplan steht. Da werden wir noch lange auf ein schönes Chemnitz warten müssen, denn Bebauungspläne werden nicht sehr oft überarbeitet. Dritte Antwort: man kann sich sowieso „freikaufen“ und fällen was man will. Egal. Die Kettensägen arbeiten wieder überall in Chemnitz, es ist Fällsaison. Heute stand ein schöner Artikel in der FAZ: Der Mensch braucht Bäume!
Ich finde es toll, dass Herr Erben sich so einsetzt! Im Grunde ist es doch aber so, dass ein Eigentümer zwar über die Bauordnung verpflichtet werden kann, Bäume zu pflanzen. Aber wie er das tut (verfügbares Erdreich) oder ob er sie pflegt, interessiert dann keinen mehr. Das einzig Verpflichtende ist die Verkehrssicherung und das heißt im Zweifelsfall: Baum ab. Die Bäume auf dem Lidl-Parkplatz an der Hainstraße waren im letzten Bauvorschlag von Lidl schon gefällt.