Vergangenen Donnerstagabend ereilte uns per E-Mail die Information, dass das Chemnitzer Jugendamt einen großen Teil von Projekten der Jugend- und Familienarbeit zum Jahresende beenden möchte. Hintergrund: Sparpläne der Stadt. Konkret sollen 12 Projekte mit einer Ausgabenhöhe von 1 Million EURO innerhalb der sozialen Angebotslandschaft komplett wegfallen. Angebote, für die lange gekämpft und gerungen wurde, deren Nutzen und Wirksamkeit immer aufgezeigt und nachgewiesen werden musste und die jetzt dem „Rotstift“ zum Opfer fallen sollen, ohne dass ein nachvollziehbares Streichungskriterium erkennbar ist.

Angebote wie beispielsweise die Kinder- und Familienzentren, die bewusst an Standorten innerhalb der Stadt Chemnitz angesiedelt sind, an denen es größere Unterstützungs- und Beratungsbedarfe gibt. Standorte, an denen die dort betreuten Kinder und Familien ein Mehr an Hilfeleistung erhalten, um gut ins Schul- und damit später ins Berufsleben starten zu können. Soziale Chancengleichheit für Alle ist hier das Stichwort. Soziale Chancengleichheit, die darüber entscheidet, ob ein Kind seinen Weg gut gehen kann oder ob es von Beginn an mit Chancenungleichheit zu kämpfen hat.

Bekommen diese Familien keine ausreichende Unterstützung, wachsen erfahrungsgemäß in der Regel die Ausgaben für nachfolgende Leistungen (zum Beispiel im Bereich der „Hilfen zur Erziehung“). Kurzfristige Einspa-rungen durch das Jugendamt, um später für die Folgenbeseitigung Mehrausgaben im kommunalen Haushalt zu generieren? Das kann nicht der richtige Weg sein! Zumal die bereits jetzt bestehenden drastischen Folgen der Pandemie wie bspw. Zunahme familiärer Konflikte, zunehmende Isolierung betroffener Familien, Zunahme an diagnostizierten Verhaltensstörungen, resultierende Schulverweigerung etc. nachweisbar und uns allen be-kannt sind! Auf diese Tatsachen haben wir bereits im Detail im Jugendhilfeausschuss hingewiesen.

Dieser Entwicklung können wir alle nur durch ergänzende Arbeit und gezielte Unterstützung begegnen, nicht aber durch eine Kürzung der Mittel. Wer übernimmt in Zukunft diese Mehraufgaben, wenn die ergänzenden Angebote dafür nicht mehr vorgehalten werden? Die Erzieher: innen in den Kitas? Die Kolleg:innen haben bereits einen schweren Stand, zumal wir in Sachsen im Bundesvergleich mit einem der schlechtesten Betreuungsschlüssel umgehen müssen.

Wer begleitet zukünftig die betroffenen Familien, wenn mit den Kinder- und Familienzentren deren einziger sozialer Anlaufpunkt nicht mehr vorhanden ist? Als AWO Chemnitz warnen wir deutlich vor den sozialen, aber auch vor den finanziellen Nachwirkungen dieser Kürzungen. Will die Stadt Chemnitz tatsächlich diesen Weg für ihre Kinder und Familien gehen?

Ebenso verwundert sind wir über den Umgang der Stadt mit den freien Trägern. Wir erhalten zum Jahresende per E-Mail die Information zu den Schließungen per 31.12.2022. Wir haben keinerlei Optionen, jetzt noch zielführend zu reagieren. Im Zuge der jahrelangen Zusammenarbeit hätten wir ein persönliches Gespräch und vor allem Transparenz vorab erwartet. Sind es nicht die freien Träger, die immer und teils sehr kurzfristig um Unterstützung gebeten werden, wenn die Stadt selbst kommunale Aufgaben nicht abdecken kann? Wir sind immer bereit unseren Teil dieses Miteinanders zu erbringen. Besonders betroffen stimmt uns zudem im Schreiben die Formulierung „die Angebote abzuwickeln“.

Kommt es tatsächlich zu einer Schließung von Projekten, müssen Arbeitsverhältnisse aufgelöst werden. Jeder freie Träger ringt lange nach passenden Fachkräften, es bestehen teils langfristige Arbeitsverträge. Lassen wir jetzt diese Kolleg:innen ziehen, dann verlassen uns diese Mitarbeiter:innen unter Umständen durch Weggang in andere Städte. Auch dieses Risiko, welches für uns als Träger existenzbedrohend sein kann, wird billigend in Kauf genommen. Gleichzeitig schwächen die geplanten Kürzungen den Wunsch, eine lebenswerte und familienfreundliche Stadt zu sein und gefährden in diesen ohnehin unruhigen Zeiten vielleicht sogar den sozialen Frieden.

Als niedrigschwellige Angebote sind gerade Kinder- und Familienzentren auch ein Anlaufpunkt, um Sorgen und Nöte der Familien aufzufangen und passende Hilfsangebote zu vermitteln.
Als AWO Chemnitz steht es uns nicht zu, eine Wertigkeit der einzelnen Projekte, die beendet werden sollen, vorzunehmen. Wir plädieren daher definitiv für den Erhalt aller 12 vakanten Projektthemen!

Chemnitz, 21. November 2022

Kontakt:
AWO Kreisverband Chemnitz und Umgebung e.V.
AWO Soziale Dienste Chemnitz und Umgebung gGmbH
Clara-Zetkin-Straße 1
09111 Chemnitz

Ines Neubert
Geschäftsführerin
Tel.: 0371 6956 100
E-Mail: ines.neubert@awo-chemnitz.de

Tanja Boutschek
Mitarbeiterin Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 0371 6956 111
E-Mail: tanja.boutschek@awo-chemnitz.de

PDF _ Stellungnahme: Ist diese Kürzung der richtige Weg