90 Jahre Fleischerei Thiele
Das hätte sich Otto Thiele nicht träumen lassen, als er am 1. Oktober 1932 zusammen mit seiner Frau Paula, geborene Geißler, in der Planitzstraße 34 (heute Heinrich-Schütz-Straße 34) eine eigene Fleischerei eröffnete, dass 2022 in der 3. Generation so ein Jubiläum begangen werden konnte.
Otto und Paula Thiele übernahmen die Räume des Fleischermeisters Max Holler, der ebenso wie seine 3 Vorgänger nur rund ein Jahr in den Räumen Planitzstraße 34 als Fleischereibetrieb überlebte.
Damals gab es in Chemnitz 360 Fleischer, von denen allein 55 im Gebiet des heutigen Stadtteils Sonnenberg ihre Kunden mit Fleisch- und Wurstwaren versorgten. Den jungen Firmengründern Otto und Paula Thiele gelang es, das Geschäft durch harte Arbeit und Qualität Schritt für Schritt auszubauen, aber auch, weil sie Kundschaft auf den Jahrmärkten und Zirkussen, die gegenüber auf der Planitzwiese gastierten, suchten und an sich binden konnten. Die Arbeitsbedingungen waren schwer. Das gesamte Material musste mittels Handwagen vom Schlachthof geholt werden (heute Standort der Sachsen-Allee).
Im März 1945 wurde das Haus Planitzstraße 34 bei den Bombenangriffen zerstört und auch, bis auf ein Haus, das ganze Karree Planitzstraße – Paul-Gerhardt-Straße – Beethovenstraße – Würzburger Straße .
Die Familie Thiele zog vorübergehend nach Roßwein. Im Herbst 1945 ging es zurück nach Chemnitz und dort fand die Familie in der ehemaligen Fleischerei Unger im Haus Zöllnerstraße 17a, das auch z.T. zerstört war, neue Betriebsräume. Die Wohnung war sehr bescheiden und bestand nur aus einer Wohnküche und einer kleinen Schlafstube auf der gegenüberliegenden Seite des Hausflurs.
Der Neubeginn 1945 war erwartungsgemäß sehr schwer. Die Versorgung der Bevölkerung erfolgte über Lebensmittelkarten, auf die es Fleisch und Wurst gab, wenn etwas da war. Und das u.U. im Abstand von mehreren Wochen.
Allmählich verbesserten sich die Zustände, so dass Otto Thiele 1952 das Haus Dimitroffstraße 71 (heute Zietenstraße 71) kaufen konnte, das 1911 der Fleischermeister Ernst Paul Günther erbauen ließ. Damit verbunden war die Zurückverlagerung der Fleischerei Thiele auf den Sonnenberg, wo sie auch heute noch besteht.
Damals gab es neben HO- und Konsumverkaufsstellen noch zwölf handwerkliche Fleischereien auf dem Sonnenberg, von denen heute nur noch die Fleischerei Thiele und die Fleischerei Müller auf der Jakobstraße 57 existieren.
1957 konnte das 25-jährige Firmenjubiläum gefeiert werden.
Werner Thiele übernahm 1959 das Geschäft von seinem Vater Otto Thiele, nachdem er bereits am 11. Dezember 1956 seine Meisterprüfung abgelegt hatte und am 12. Januar 1959 seine Frau Gisela geheiratet hatte, die im Geschäft mit voll eingebunden wurde und bis heute immer noch tätig ist.
Nach 1990 wurde der Betrieb modernisiert und vorübergehend um eine Filiale in der Sonnenstraße 41 erweitert. Am 01. Januar 2000 übergab Werner Thiele den Betrieb an seine Tochter, Fleischermeisterin Elke Seitz, half aber, wenn Not am Mann war, im Außendienst auch mit aus.
Mittlerweile hatte sich die Fleischerei zu einem Betrieb mit einer weitgespannten Wurst- und Feinkostproduktion, mit Partyservice und Mittagessen entwickelt, der von Elke Seitz mit ihrer Tochter Nora Seitz, die 2009 den Meisterbrief erhielt, geleitet wird.
Ein Markenzeichen der Fleischerei Thiele war und ist das Engagement für den Sonnenberg und die Arbeit in ehrenamtlichen Funktionen. Die Tradition von Werner Thiele führt Nora Seitz nahtlos fort, sehr engagiert für das Fleischerhandwerk, den Sonnenberg, die Kultur der Stadt, aber auch überregional.
Die Fleischerei Thiele bleibt hoffentlich, trotz der immer angespannteren Lage, weiterhin dem Sonnenberg und den Kunden erhalten.
Text: Eckart Roßberg
Bildquellen:
Bild 1 Sammlung Familie Thiele
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