“ Die Sonne gab den Namen „

Vom einstigen Gasthof „Zur Goldnen Sonne“ ist der Name unseres Stadtteils abgeleitet – so lag es nahe, dass ein von der AG Sonnenberg-Geschichte herausgegebenes Buch diesen Titel erhielt. Mit dieser Lokalität fing auch alles an. Lassen sich doch ihre Ursprünge bis in die Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg zurückverfolgen.

 

Standort des früheren Gasthofs „Zur Goldnen Sonne“ an der Freiberger Straße, Foto: Stephan Weingart

 

An der Straße, die über Freiberg weiter nach Dresden führte, befand sich auf der rechten Seite ein „Vorwerk“, das heißt eines der Landwirtschaftsgüter vor der Stadt, die Chemnitzer Bürgern gehörten, meist aber Pächtern zur Bewirtschaftung übertragen wurden. Dahinter erstreckten sich nur Felder und Wiesen. Das Vorwerk besaß der Fleischer Hans Weber, der selbst in der Stadt wohnte. Es ist anzunehmen, dass er hier Vieh hielt und Viehfutter anbaute.

Als er 1635 starb, wurden seine herrenlosen Grundstücke versteigert, die wie so viele nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges darniederlagen. Das Vorwerk mit den zugehörigen Äckern erwarb mit Paul Oehme wieder ein Fleischer. Nach mehreren Besitzerwechseln ging es um 1670 an den Bürgermeister Johann Bartholomäus Jehnichen über. Das war ein angesehener Mann, der Stiftungen für die Universität in Freiburg und für die Jakobikirche hinterließ. Vom Vorwerk heißt es, er sei sehr baufällig gewesen und von Jehnichen teilweise repariert worden. Es bestand lediglich noch aus einem Haus, einer Scheune und einem Garten.

1713 erwarb der Bürgermeister Daniel Wagner von den Erben das Vorwerk. Er erhielt dafür das Recht zum Bierschank und zur Beherbergung Reisender mit Pferd und Wagen. Seinem Gasthof gab er den Namen „Zur Goldenen Sonne“. Vorausgegangen war eine Unterschriftensammlung von 46 Anwohnern für einen neuen Gasthof vor dem Johannistor. Gab es doch zu diesem Zeitpunkt nur einen einzigen Gasthof vor der Stadt, den „Goldnen Stern“ an der Leipziger Straße. Es gelang Wagner auch, die Zustimmung des Rates und der Gastwirte in der Stadt zu erwirken. Dabei war die Bedingung: Wenn der Rat selbst auf seinen Feldern am Rande des Zeisigwaldes ein Wirtshaus errichten würde, sollte die „Sonne“ den weiteren Gastbetrieb einstellen. Zur Errichtung eines solchen ratseigenen Wirtshauses kam es zwar nicht.

Als aber nach Wagners Tod dessen Stiefsohn Johann Christian Platner das Vorwerk übernahm, brachten die Gastwirte wieder ihre alten Rechte ins Spiel, und der Rat untersagte Platner die Beherbergung und Bewirtung von Reisenden. Dieser berief sich nun erneut auf die Petition der Anwohner und das dringende Bedürfnis, den Reisenden von Dresden nach Zwickau eine Herberge vor den Toren der Stadt zu bieten. Mussten diese doch, bevor sie durch das Johannistor nach Chemnitz hineinkamen, nach der holprigen Freiberger Straße den Gablenzbach überqueren, der noch nicht kanalisiert war – erst 1729 wurde dort eine steinerne Brücke errichtet. Platner bot den brauberechtigten Bürgern der Stadt an, ihr Bier in seinem Gasthof zu vertreiben. Andernfalls würden die Reisenden in den Gasthöfen in Wiesa und Schönau einkehren und die Stadt hätte das Nachsehen.

Dabei saß Platner selbst „an der Quelle“. Besaß der Barbier und Chirurg doch ein Haus in der Innenstadt, in der Johannisgasse, sein Vorwerk übertrug er aber wechselnden Pächtern. Von dort war seine Wasserversorgung gesichert, denn bei diesem Vorwerk entsprangen zwei Quellen: eine im Garten an einem Teich, die andere unterhalb des Gartenzauns. Eine Röhrleitung führte zur Johannispfarre vor dem Johannistor, eine andere aber zu Häusern in der Johannisgasse und am Markt. Man darf wohl annehmen, dass auf diese Weise auch Platners Braupfanne mit frischem Quellwasser und dadurch die „Sonne“ mit Getränkenachschub für durstige Reisende versorgt werden konnte. Und zum selbstverständlichen Service gehörte auch die Versorgung ihrer Pferde mit Heu. Als der Wirt der „Goldnen Sonne“ 1719 in der Scheune von der Leiter fiel, verstarb er an den Folgen. Ob er dort vielleicht Heu für die Pferde gerade eingetroffener Reisender holen wollte? Das wäre allerdings eine durch nichts belegte Vermutung.

Nach Platners Tod klagten die Wirte weiter gegen seine Witwe und die zwei Töchter. Kurfürst Friedrich August „der Gerechte“ verfügte zunächst, dass der Gasthof zu schließen sei. Der Chirurg Christian Friedrich Hennig, der eine der Töchter geheiratet hatte, bot jedoch 1769 die Zahlung von 100 Talern an die kurfürstliche Rentkammer an. Da der sächsische Staat nach dem Siebenjährigen Krieg unter chronischem Geldmangel litt, wurde Hennig die Gasthofskonzession schließlich zugesprochen.

 

Ausschnitt aus dem Trenckmann’schen Plan von 1761, Bearb.: Stephan Weingart

 

Das Grundstück war mit Wohn- oder Vorderhaus, linkem und rechtem Seitengebäude, Scheune, Schuppen und Ställen ausgebaut worden und bildete praktisch einen Vierseithof. Noch 1758 hatten während des Siebenjährigen Krieges die kaiserlichen Truppen ihr Lager um den Gasthof aufgeschlagen, was sicher nicht ohne Folgen für ihn geblieben sein wird. Lästige Einquartierungen musste er auch während der Napoleonischen Kriege über sich ergehen lassen, bis er 1813 – hundert Jahre nach Erteilung der ersten Gasthofskonzession – aus ungeklärten Ursachen abbrannte.

 

Gasthof „Zur Goldnen Sonne“ an der Freiberger Straße, Rekonstruktionszeichnung von Stefan Weber (Sammlung AG Sonnenberg-Geschichte)

 

Die „Goldne Sonne“ ist danach „sehr groß und ganz steinern“ wiederaufgebaut worden. Nach der Leineweberfamilie der Winklers gehörte sie zu dieser Zeit dem „Oeconom“ (Landwirt) Gottlob Adolph Buchhold. Mit der Sonnenstraße begann die Bebauung unseres Stadtteils oberhalb des 1858 entstandenen Bahnbogens. Bald fand man das Vorwerk inmitten zahlreicher Mietshäuser wieder. Wer Näheres über seine weitere Geschichte wissen will, der nehme doch wieder einmal das eingangs angeführte Buch zur Hand …Stephan Weingart, AG Sonnenberg-Geschichte

 

Foto:02.08. 1987

 

Der Standort der „Goldnen Sonne“ im Jahre 1987, zuletzt befand sich hier eine
Tankstelle, im Hintergrund ein Gebäude an der Augustusburger Straße
Foto: Hilmar Uhlich