Junges Paar aus dem Iran auf dem Sonnenberg: Endlich zusammen
Vor ein paar Monaten ist das junge Paar*, beide 29 Jahre alt, auf den Sonnenberg gezogen. Am Samstag (13.12.) haben sie mit anderen Asylsuchenden und Einheimischen die erste Flüchtlingsdemo in Chemnitz initiiert, um mit den Chemnitzerinnen und Chemnitzern ins Gespräch zu kommen. Was hat sie dazu veranlasst?
Sie stammen aus der iranischen Hauptstadt Teheran. Er hat als Filmemacher für das iranische Fernsehen gearbeitet. Privat hat er einen regierungskritischen Weblog betrieben sowie eine Facebookseite. 700.000 Facebook-Nutzer haben „gefällt mir“ geklickt und folgen den Beiträgen.
Dann drehte er einen Streifen über den Islam, der den religiösen Zwang und die drastischen Strafen bei Konversionen darstellt: „Wenn ein Mann zum Islam übertritt, muss er sich die Vorhaut am Glied abschneiden lassen. Wenn er den Islam verlässt, wird ihm der Kopf abgeschnitten“, erklärt er das Leitmotiv. Er publizierte den Film im Internet – ein weiterer Schritt gegen die Unterdrückung in dem Land. Da rieten Freunde seines Vaters aus dem Regierungsumfeld ihm heimlich, besser das Land zu verlassen.
Dann wurde seine Frau vorgeladen, sie wurde verhört zu Filmen ihres Mannes, der auch über das iranische Atomprojekt gearbeitet hatte. Er wurde der Spionage verdächtigt, wer seine Auftraggeber seien, Amerikaner oder wer? Sie stritt ab, etwas zu wissen, aber entschloss sich gleichfalls zu fliehen, auch in Sorge, dass über Druck auf die Angehörigen Geflüchtete erpresst werden. Zwei Monate hatte sie zuletzt nichts mehr von ihrem Mann gehört, aus Vorsicht hatte er sich nicht mehr gemeldet.
Als sie in Deutschland angekommen war, ermittelte die Polizei die Adresse ihres Mannes in Amberg in Bayern. Dort lebte er in einem Asylheim. „Ich war so erleichtert, der Unterdrückung entkommen zu sein, und glücklich, meinen Mann wieder zu sehen“, erzählt sie auf Englisch.
Doch dann begannen Probleme ganz anderer Art: Sie durften nicht zueinander kommen. Sie war der Erstaufnahme Chemnitz zugewiesen und lebte vier Monate im Adalbert-Stifter-Weg hinter Stacheldraht, „im Lager“. Das Stadtgebiet durfte sie nicht verlassen. Er konnte zwar auf Urlaubsantrag für sieben Tage im Monat zu ihr reisen, aber hatte keine Unterkunft in Chemnitz. Denn bei seiner Frau durfte er nur tagsüber zu Gast sein. Ein junger Mann aus Afghanistan ließ ihn schließlich bei sich übernachten.
Die Anträge an die Ausländerbehörde, dass die junge Frau zur Bearbeitung ihres Asylverfahrens in Bayern leben darf, war abgelehnt worden. Dann stellten sie den Antrag, dass er nach Chemnitz wechseln dürfte. Acht Monate lang passierte nichts. Jeden Monat fuhr er auf Besuch zu seiner Frau, musste mit 150 Euro monatlich Fahrt und Lebensunterhalt bezahlen, denn in Amberg bekamen sie in der Unterkunft nur Essenspakete statt Bargeld wie in Chemnitz. Was tun außer warten? Mit einigen anderen Flüchtlingen startete er eine Protestaktion, trat für ein paar Tage sogar in Hungerstreik. „Und dann kam der Chef der Ausländerbehörde mit einem Papier ins Zelt und sagte: Hier, unterschreiben, Sie gehen nach Chemnitz.“
In der Stadt vermittelte das Sozialamt dem Paar eine eigene kleine Wohnung. Endlich zusammen. „Im Heim war ich wie in einem Alptraum. Ich habe ein Jahr auf das Weckerklingeln gewartet“, sagt er. Sie meistern weitere Schritte auf dem steinigen Weg in ein einigermaßen normales Leben. Zum Beispiel mit Flüchtlingsstatus einen Vertrag für den Internetzugang abschließen, ist ihnen mit sehr viel Energie und Ausdauer schließlich gelungen.
An ein aktives Leben gewöhnt, wollen sie sich nicht damit abfinden, nur auf die Bearbeitung ihres Antrags zu warten. Anerkannt zu werden ist schwerer als man denkt: „Deutschland und die EU boykottieren den Iran wegen der Menschenrechtslage, aber das wird nicht als Fluchtgrund akzeptiert“, merkt er an.
Aufgeschlossen und interessiert knüpfen sie Kontakte. „Lass uns versuchen, die Situation zu verbessern“, sagt sie. „Make it active in a good way“.
– Wegen der Verfolgung im Iran nennen wir hier lieber keine Namen. Wichtig ist ihnen zu betonen, dass sie in einer Gruppe zusammen arbeiten und alle die gleichen Probleme haben. Aber als Sonnenberger stehen sie als Beispiel stellvertretend für die anderen.
Ihr Aufruf auf der Facebookseite Asylum Seekers Movement
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