Toleranz beginnt im Kopf
Barrieren überwinden kann man nicht nur mit Hilfe eines Rollstuhls. Ich bin seit 22 Jahren auf Hilfe angewiesen und besitze durch meine Pflegestufe 3 für außenstehende Personen fast keine Selbständigkeit. Mein Ziel ist jedoch, ….… als Pflegestufe 3 nicht in einem Altersheim oder einem abgeschlossenem Raum sabbernd und dahinvegetierend vor SpongeBob & Co zu sitzen! Nein STOPP, ich möchte mit meinen aufrechten Gedanken zeigen, dass wir sehr wohl in der Lage sind unser Leben zu gestalten, dass auch Menschen mit hohen Pflegestufen Ziele haben und diese auch umsetzen können.
Ein großes Beispiel dafür lässt sich mit meinem Reha-Aufenthalt in der Kinder-und Jugendklinik Kreischa-Zegwitz belegen. Seit ich von meinem Reha-Aufenthalt wieder in meinem Alltag eingebunden bin, ist es mir möglich, jeden Tag ein Stück selbstständiger zu sein.
Es fängt zwar bei Kleinigkeiten an, wie allein aus einem Plastikbecher mit Henkel zu trinken, was für die meisten Menschen ganz schön lächerlich oder gar als Kleinkindmist abgetan werden könnte. Aber genau diese kleinen Dinge im Alltag eines Menschen, der sonst bei jedem kleinen Schritt Hilfe braucht, ist für uns alle, ob Rollstuhlfahrer oder „Normalbürger“ ein Anfang der Akzeptanz des Anders Seins!
Würde ich mir die schweißtreibende Arbeit des Becherhebens oder den Versuch die Wäsche abzunehmen nicht machen, dann wäre die Akzeptanz in unserer Gesellschaft, die sich durch das Anders Sein und verschiedene Fähigkeiten eines jeden einzelnen zusammensetzt, nicht möglich.
Es gibt hier in unserer schönen Stadt Chemnitz das IFZ, das Interdisziplinäre Frühförderungszentrum im Reitbahnhaus, welches sich auf der Fritz Reuter Str.10 befindet. Hier werde ich zum allerersten Mal seit ich in Chemnitz wohne, nach meinen Fähigkeiten und meinem körperlichen Zustand gefördert. Diese Förderung besteht leider bei den meisten Therapieansätzen nur darin, das körperliche Bild des „Patienten“ zu erhalten, was im Frühförderungszentrum zum Glück nicht der Fall ist. Die individuelle Behandlung des jeweiligen Menschen besteht aus einer Zielformulierung und einer Wegbereitung, um die gesetzten Ziele mit einem individuellen Therapieweg zu erreichen, so dass meine persönliche Motivation mit dem Ausprobieren neuer Wege und unzähligen Schweißtropfen steigt.
Ich finde es sehr schade, dass die Stadt Chemnitz wie viele andere Städte auch, zu wenig differenziert zwischen einem Mensch, der auf Grund seiner Pflegestufe 3 nicht in der Lage ist, seine Fähigkeiten weiter auszubauen und einem Mensch, der zwar diese Pflegestufe hat, aber mit ein bisschen Willen und entsprechender Hilfe in der Lage wäre, sein Leben in seinem Rahmen selbst bestimmt zu gestalten. Ich würde mir wünschen, dass nicht alle Menschen über einen Kamm geschoren werden und dass die Fördermöglichkeiten mehr auf die Bedürfnisse des einzelnen angepasst werden. Daher möchte ich mich gern dafür einsetzen, dass aus dem sabbernden Behinderten ein angesehener und nach seinen individuellen Bedürfnissen geförderter Mensch wird.
Ihre Nele März im Februar 2015
Vorherige Beiträge von Nele März:
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